Arbeitsrecht

Arbeitsrecht (2): Diskriminierende Stellenausschreibung

Stellenausschreibung_1„Wow, eine Stelle in einem Luxus-Kosmetik-Studio, das wär´s doch“, denkt sich Chantal und sieht sich schon Champagner-schlürfend mit der High Society plaudern. Sie packt ihre Bewerbungsunterlagen zusammen, geht zum Frisör und zum Fotografen und schickt alles ab. Ein paar Tage später kommt eine Absage von Forever Young:

„Leider können wir Ihre Bewerbung nicht berücksichtigen. Mit Ihren 22 Lenzen sind sie ja noch grün hinter den Ohren. Außerdem kann man mit Konfektionsgröße 42+ nicht wirklich von einem angenehmen Äußeren sprechen. Gern können sie sich in 10 Jahren und mit 20 kg weniger noch einmal bewerben, da ihre Noten ja super sind.“

Chantal ist stinksauer und macht sofort einen Termin bei  ihrem Anwalt Dr. Redlich.

Diskriminierende Stellenanzeigen sind gar nicht so selten und können für den potentiellen Arbeitgeber teuer werden. Aber wann liegt eine Diskriminierung bzw. Benachteiligung vor? Auskunft  darüber gibt uns das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). § 3 AGG nennt 5 Benachteiligungsformen:

–          die unmittelbare Benachteiligung
–          die nicht gerechtfertigte mittelbare Benachteiligung
–          die Belästigung (dazu zählt beispielsweise auch das Mobbing)
–          die sexuelle Belästigung und
–          die Anweisung zu einer Benachteiligung

Bei Stellenanzeigen kommen hauptsächlich die beiden ersten Benachteiligungsformen in Betracht. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (§ 3 Abs. 1 AGG). Hier ist eine Ungleichbehandlung gemeint, die zu einer Zurücksetzung geführt hat. Beispiel: Eine Frau bekommt bei gleicher Qualifikation weniger Geld. Bei einer mittelbaren Benachteiligung geht es um eine formale Gleichbehandlung, die zu einer Zurücksetzung führt.  Z.B. wäre ein allgemeines Verbot des Tragens von Kopfbedeckungen eine mittelbare Benachteiligung von Musliminnen.

Keine Diskriminierung ohne Diskriminierungsgrund. Das AGG normiert in § 1 acht Gründe. Das sind nur Benachteiligungen aus Gründen

–          der Rasse oder
–          wegen der ethnischen Herkunft,
–          des Geschlechts,
–          der Religion oder
–          Weltanschauung,
–          einer Behinderung,
–          des Alters oder
–          der sexuellen Identität

Diese Aufzählung ist abschließend. Vor Benachteiligungen aus anderen Gründen schützt das Gesetz nicht.

Sehen wir uns doch die Auswahlkriterien  in der Stellenanzeige einmal etwas genauer an

1. „belastbar“
Hier könnte eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Alters oder einer Behinderung vorliegen. Da Chantal mit ihren 22 Jahren sehr jung ist und ein etwas höheres Gewicht nicht als Behinderung gilt, ist sie selbst nicht betroffen.

2. „Kosmetikerin“
Diese Formulierung stellt eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar, weil nur die weibliche Berufsbezeichnung gewählt wurde. Chantal ist aber eindeutig weiblich und deshalb nicht betroffen.

3. „ab 32 Jahre“
Dies ist eindeutig eine Diskriminierung aufgrund des Alters. Vom AGG geschützt wird das Lebensalter, damit unterliegen auch Benachteiligungen Jüngerer dem Schutz des Gesetzes. Chantal ist mit 22 Jahren deutlich jünger und wird damit unmittelbar benachteiligt.

4. „mehrjährige Berufserfahrung“
Hier könnte ebenfalls eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Alters vorliegen. Diese ist jedoch nach § 10 Nr. 2 AGG gerechtfertigt, wonach das Auswahlkriterium Berufserfahrung zulässig ist. Es sei denn, es handelt sich um eine einfache Tätigkeit, welche keine Berufserfahrung erfordert.

5. „angenehm schlankes Äußeres“
Diese Formulierung stellt keine Diskriminierung nach dem AGG dar. Ausnahmen sind nur extremes Über- oder Untergewicht, welche sich wegen der dadurch eingeschränkten Teilnahme am gesellschaftlichen Leben als Behinderung im Sinne des AGG einstufen lässt.

6. „Deutsche Staatsbürgerschaft“
In Betracht kommt hier eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft. Unter ethnischer Herkunft versteht man die Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Menschen mit gleicher Sprache, Abstammung, Traditionen und ähnlicher Kriterien. Die ethnische Herkunft wird nicht mit der Staatsangehörigkeit gleichgesetzt. Nur wenn scheinbar an die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird, aber tatsächlich die ethnische Herkunft gemeint ist, greift der Schutz des AGG.

7. „Foto und Lebenslauf
Es könnte eine mittelbare Benachteiligung vorliegen, da aus dem Lebenslauf und dem Foto auf die möglichen Diskriminierungsmerkmale Alter, Geschlecht und ethnische Herkunft geschlossen werden kann.

Die Stellenanzeige der Forever Young GmbH ist also mit einigen diskriminierenden Auswahlkriterien gespickt und von einigen davon ist auch unsere Chantal mittelbar oder unmittelbar betroffen. Dies wird auch aus der Absage deutlich, die sie bekommen hat.

Gemäß § 11 AGG in Verbindung mit § 7 AGG unterliegen auch Stellenausschreibungen ausdrücklich dem Schutz des AGG. Kein Bewerber darf danach wegen eines der in § 1 AGG normierten Gründe benachteiligt werden.

Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot steht dem Bewerber Schadenersatz und eine Entschädigung zu (§ 15 AGG)

Für einen Schadenersatz muss der Arbeitgeber die Benachteiligung verschuldet haben. Bei einer fehlgeschlagenen Bewerbung ist ein Schadenersatz meist nur in Höhe der angefallenen Bewerbungskosten nachweisbar.

Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung ist dagegen verschuldensunabhängig. Er ist vergleichbar mit einem Schmerzensgeld. Wenn der Bewerber auch ohne die Diskriminierung nicht eingestellt worden wäre, ist die Entschädigung auf drei Bruttomonatsgehälter begrenzt. Die Höhe der Entschädigung ist nicht begrenzt, wenn der am besten qualifizierte Bewerber eine Absage aufgrund eines oder mehrerer Diskriminierungsgründe erhalten hat.

Die Ansprüche auf Schadenersatz und Entschädigung müssen innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Absage schriftlich geltend gemacht werden. Innerhalb von drei Monaten nach der Geltendmachung muss geklagt werden.

Gemeinsam mit RA Dr. Redlich geht Chantal vor Gericht und klagt, nachdem die Forever Young GmbH eine Zahlung einer Entschädigung abgelehnt hat. Das Arbeitsgericht spricht ihr eine Entschädigung in Höhe von 3.900,00 € zu (3 Bruttomonatsgehälter).

Chantal, Charly und Töchterchen Angelique fliegen erst einmal in den Urlaub nach Mallorca. Danach geht es gut erholt weiter durch den Bewerbungsdschungel – und diesmal mit Erfolg.

Anmerk. d. Autorin: Dieser Beitrag gibt die rechtliche Situation nur allgemein und verkürzt wieder. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt die individuelle Beratung im konkreten Einzelfall nicht. Jegliche Haftung wird trotz sorgfältiger Bearbeitung ausgeschlossen.

Über den Autor

Dana Lipka

Dana zählt zum Urgestein unseres Unternehmens und ist seit 2005 zuständig für alles rund um das Thema Recht bei uns. Als Wirtschaftsjuristin informiert sie auf dem Blog in der Kategorie Arbeitsrecht regelmäßig über Gesetzesgrundlagen, kuriose Rechtsfälle und wissenswerte Neuerungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Ihre Fähigkeiten als Blogautorin stellt Dana auch auf ihrem privaten (Koch)Blog immer wieder gern unter Beweis.