Nachdem Chantal gut erholt aus ihrem Mallorca-Urlaub zurückgekehrt ist, macht sie sich wieder frisch ans Werk und schreibt viele Bewerbungen. Sie antwortet auf einige Stellenanzeigen und versendet zusätzlich einige Initiativbewerbungen.
Nach den schlechten Erfahrungen mit der Bewerbung bei der Forever Young GmbH, fragt sie sich natürlich, ob es neben dem Verbot diskriminierender Stellenanzeigen noch andere Dinge gibt, die der potentielle Arbeitgeber beachten muss und welche Rechte und Pflichten sie im Bewerbungsprozess hat. Da sie mit einer solchen Anfrage nicht ihren Anwalt Dr. Redlich belästigen möchte – zumal das sicher nicht durch ihre Rechtschutzversicherung gedeckt ist – lädt sie kurzerhand ihre Freundin aus Schulzeiten zum Kaffee ein. Magdalena Müller studiert Rechtswissenschaften und kann ihr bestimmt helfen.
Beide freuen sich über das Wiedersehen und Chantal konnte auch viel von ihrer Freundin lernen.
Schon im Bewerbungsverfahren gibt es arbeitsrechtlich relevante Punkte zu beachten. Auch ohne einen Arbeitsvertrag verpflichten sich beide Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme und dazu, die Rechte und Interessen des jeweils anderen zu wahren.
1. Aufbewahrung der Bewerbungsunterlagen
Der Arbeitgeber muss die eingehenden Bewerbungsunterlagen sorgfältig und sicher aufbewahren. Nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens müssen die Bewerbungsunterlagen sofort zurückgegeben werden, wenn ein Arbeitsvertrag nicht zustande kommt. Etwas anderes gilt nur bei Initiativbewerbungen. In einem solchen Fall müssen die Unterlagen nur zurückgesendet werden, wenn der Bewerber einen frankierten Rückumschlag beigelegt hat.
2. Ersatz der Vorstellungskosten
Bewerber haben Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten, die durch die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch entstehen. Den Anspruch muss der Bewerber jedoch von sich aus geltend machen. Tut er dies nicht, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet die Kosten von sich aus zu ersetzen. Der Erstattungsanspruch kann durch den Arbeitgeber auch ausgeschlossen werden, indem er in der Einladung zum Vorstellungsgespräch ausdrücklich darauf hinweist, dass Fahrtkosten nicht von ihm übernommen werden.
3. Aufklärungspflichten
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind verpflichtet die jeweils andere Partei umfassend über alle Umstände aufzuklären, die für die Ausübung der zu besetzenden Stelle wichtig sind.
Der Arbeitgeber hat insbesondere in folgenden Fällen eine Informationspflicht:
- überdurchschnittliche Anforderungen
- besondere gesundheitliche Belastungen
- Gefährdung des Arbeitsplatzes bei geplanter Umstrukturierung
- zukünftige Gefährdung von Löhnen und Gehältern
Tut er dies nicht, macht er sich gegenüber dem Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig.
Die Bewerber haben wiederum alle Umstände offenzulegen, die für die betreffende Stelle relevant sind.
Beispiele:
- Alkoholabhängigkeit bei einem Berufskraftfahrer
- fehlende Arbeitserlaubnis
4. Wahrheitspflicht
Rechtlich zulässige Fragen muss ein Bewerber im Vorstellungsgespräch wahrheitsgemäß beantworten. Verstößt er dagegen, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis später verhaltensbedingt kündigen oder wegen arglistiger Täuschung anfechten.
Ob eine Frage rechtlich zulässig ist oder nicht hängt ganz von der im Einzelnen zu besetzenden Stelle ab. Immer zulässig sind Fragen nach
- dem Wohnort des Bewerbers
- beruflichne und fachlichen Kenntnisse, beruflichen Werdegang und Zeugnisnoten
- vorhergehenden Arbeitgeber, Beschäftigungsdauer
- bestehende Wettbewerbsverbote, Konkurrenztätigkeit zum Zeitpunkt der Einstellung
- Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis bei ausländischen Bewerbern
- Vorstrafen, sofern sie für die Tätigkeit bedeutsam und im Bundeszentralregister eingetragen sind
- bevorstehender Haftantritt
- Schwerbehinderung (wenn Grad der Behinderung mehr als 50%)
Nach dem Gesundheitszustand darf nur gefragt werden, wenn ein berechtigtes Interesse besteht. Dies ist zum Beispiel bei dauerhaften und akuten Krankheiten der Fall. Zum Beispiel ist die Frage nach einer AIDS-Erkrankung bei einer zu besetzenden Stelle als Chirurg oder in der Unfall-/Notfallmedizin erlaubt. Die so oft zitierte Frage nach einer Schwangerschaft ist generell verboten. Nur wenn durch die Tätigkeit die Gesundheit von Mutter oder Kind gefährdet wäre, ist die Frage erlaubt. (z.B. Röntgenassistentin)
Generell unzulässig sind Fragen nach:
- Ehe und Partnerschaft
- sexuelle Orientierung
- Gesundheitszustand (eine Alkoholabhängigkeit zählt als Krankheit, Fragen danach sind unzulässig. Ausnahme: z.B. Berufskraftfahrer)
- Zugehörigkeit zu Gewerkschaften, Parteien & Religion
- Vermögensverhältnissen (Ausnahme: bei Lohn- und Gehaltspfändungen, wenn zukünftiger Arbeitsplatz mit besonderer Vertrauensstellung verbunden)
5. Auskünfte beim vorherigen Arbeitgeber einholen
Der Arbeitgeber darf Auskünfte bei einem ehemaligen (nicht aktuellen!) Arbeitgeber einholen. Gleiches gilt, wenn der Bewerber derzeit arbeitslos ist. Eine Rückfrage beim aktuellen Arbeitgeber des Bewerbers ist ohne vorherige Zustimmung des Bewerbers unzulässig.
6. Einstellungsuntersuchung
Ärztliche Einstellungsuntersuchungen und psychologische Tests sind nur in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen (z.B. Bundesseuchengesetz) oder mit ausdrücklicher Zustimmung des Bewerbers erlaubt.
7. Beteiligung Betriebsrat
In Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen muss der Arbeitgeber vor jeder Einstellung den Betriebsrat (soweit vorhanden) informieren und seine Zustimmung einholen.
Mit diesem Wissen ist Chantal gut für die weitere Zukunft gerüstet und kann dem weiteren Bewerbungsmarathon gelassen entgegensehen. In der nächsten Folge trifft sie dann endlich persönlich auf den ersten potentiellen Arbeitgeber.
Anmerk. d. Autorin: Dieser Beitrag gibt die rechtliche Situation nur allgemein und verkürzt wieder. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt die individuelle Beratung im konkreten Einzelfall nicht. Jegliche Haftung wird trotz sorgfältiger Bearbeitung ausgeschlossen.
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