(Neue) Arbeitswelt

Coaching – leider kein geschützter Begriff

Jeder kennt die Situationen im beruflichen Umfeld, bei denen es etwas zu entscheiden gilt, bei denen man Dinge tun können muss, die man in keiner Schule gelernt hat, die aber ab sofort zur Anforderung im Job gehören. Klassischerweise versuchen wir dann das fehlende Wissen mit Büchern und Seminaren zu kompensieren. Doch was machen wir, wenn die Fragestellungen komplex werden und nicht allein mit Buchwissen zu lösen sind? Kollegen oder Freunde fragen? Chefs geben auch gern Auskunft. Doch was, wenn der Kollege oder der Chef Teil des Problems ist?

Mal bei Wicki geschaut, um eine Klärung des Begriffs Coaching zu bekommen, liest man gleich in den ersten Zeilen, dass es Angebote gibt „von Scharlatanerie bis hin zu qualitativen Mindestanforderungen wie sie im Psychotherapeutengesetz festgelegt sind (und darüber hinaus)“. Ein buntes Angebot vom Feng Shui Coaching bis zum Beziehungscoaching kann man finden, für jede Lebenslage etwas, sollte man meinen. Doch tatsächlich bemühen sich Berufsverbände, u.a. DBVC, dvct und DVC, sehr um eine Abgrenzung und Professionalisierung. Eine sehr schnittige Definition findet der DBVC, der Coaching als professionelle Beratung von Menschen in Organisationen sieht. Dabei können Einzelpersonen und Gruppen unterstützt werden, die sich in einem System (Organisation) befinden und hier in einem sozialen Kontext gebunden sind. Hier soll Coaching individuelle und kollektive Lern- und Leistungserfahrungen im beruflichen Umfeld weiterentwickeln. Dabei sind viele Methoden möglich und kommen meist mit der Qualifizierung des Coaches daher.

Da wären wir auch schon bei der Gretchenfrage. Welche Ausbildung sollte ein Coach haben? Die Berufsverbände nehmen nur Mitglieder auf, die eine entsprechende, vom Verband autorisierte Weiterbildung (ca.18 Monate, mit mind.150 Stunden) durchlaufen haben. Vor einer Mitgliedschaft werden persönliche Eignung und Kompetenz des Coaches evaluiert, oft müssen auch erfahrene Coaches für „Neulinge“ bürgen. Wer also auf der Suche nach einem Coach ist, ist bei den Verbänden gut aufgehoben.

Wann brauche ich einen Coach?

Standortbestimmungen sind Situationen bei denen die Klärung nicht immer leicht herbei zu führen ist. Oft sind die unterschiedlichsten Lebensbereiche betroffen und beeinflussen uns beim nächsten beruflichen Schritt. Dabei kann ein Coaching zur Klärung und Orientierung hilfreich sein. Der Coach bietet hier den Abgleich zwischen Selbst- und Fremdbild oder den eigenen und fremden Erwartungen. Ein Coach kann in diesen Situationen sortieren und verarbeiten helfen, stabilisierend wirken.

Ein Beispiel: Ein junger Mann ist mit dem Job unglücklich und bewirbt sich. Die attraktiven Arbeitgeber und Angebote findet er aber nicht in seiner Heimat. Als gerade frisch gebackener  Familienvater will er möglichst das Pendeln zum neuen Arbeitsplatz vermeiden. Schon hat seine Entscheidung auch Einfluss auf sein Umfeld, nämlich auf seine kleine Familie. Mit seiner Frau, mit der er sonst alles besprechen konnte, ist es gerade schwierig, da die Diskussionen überlagert sind. Der Coach half dem Coachee die Gedanken zu sortieren, gemeinsam Prioritäten zu finden und Entscheidungen vorzubereiten.

Gemeinsam suchten sie nach anderen Wegen. Heute hat er eine neue Stelle mit der er sehr zufrieden ist und seine kleine Familie um sich, das zweite Kind ist unterwegs. Alles ohne den Ort zu wechseln. Es dauerte nur ein Jahr länger, bis sich sein Wunsch erfüllte.

Bei der Konfliktbearbeitung kann der Coach mit der Analyse des Konfliktes dem Coachee  hilfreiche Hinweise zu Auswegen liefern. Manchmal ist es auch von Vorteil die Eskalationsmöglichkeiten durchzuspielen, um diese dann vermeiden zu können. Oder wenigstens zu prüfen, wie weit man bereit ist, zu gehen und mit welchen Konsequenzen.

Beispiel: Frau S. ist in Ihrem Team anerkannt und alle schätzen an ihr die Hilfsbereitschaft und Unterstützung, die sie immer und allen anbietet. Sie arbeitet gern und viel, oft bis in die Abendstunden. Eine jüngere Kollegin hat ihre Arbeitsergebnisse genutzt und dem Chef vorgestellt. Für Frau S. eigentlich kein Problem. Leider war in der Berechnung ein  Fehler und die junge Kollegin wehrte die Verantwortung ab. Seit dieser Zeit änderte Frau S. ihre Arbeit im Team und ging immer mehr in die Konfrontation. Es eskaliert als sie zum Gespräch mit dem Chef muss. Hier hat der Coach Frau S. unterstützt, die Situation klarer zu sehen, das Gespräch mit dem Chef vorzubereiten und ein paar Taschentücher bereitgestellt. Ihr Chef gab Frau S. ein tolles Feedback zu Ihrer Arbeit und sah den Fehler nicht als so großes Problem. Mit ihrer Kollegin hatte sie eine Aussprache, die sie souverän und in Ruhe führte. Sie wurde zur Mentorin der jungen Kollegin und geht jetzt öfter pünktlich nach getaner Arbeit nach Hause.

In der Managemententwicklung wird Coaching oft zur Etablierung von Führungskompetenz genutzt und erhöht die Wirksamkeit der Führungspersönlichkeiten.

Beispiel: Ein junges Unternehmen wächst stark. In einem Jahr hat sich die Belegschaft verdoppelt. Die Mitarbeiter der ersten Stunde haben wichtige Funktionen im Management übernommen. Viele gehen sehr gut mit der neuen Herausforderung um, doch hat sich Ihr Arbeitsleben komplett geändert. Ihre Tätigkeit ist geprägt von Meetings, Anleitung und Kontrolle der Mitarbeiter. Sie wünschen sich Unterstützung, die neue Rolle zu finden. Hier hat der Coach das gesamte Führungsteam unterstützt, Führungsleitlinien festzulegen und im täglichen Geschäft einzelnen Kollegen geholfen diese für sich zu erschließen und umzusetzen.

Ein schönes Beispiel, dass Coaching über die Unterstützung von einzelnen Personen hinaus auch einen Beitrag zur Organisationsentwicklung leisten kann, ein Mittel der Wahl bei Veränderungsprozessen in Unternehmen ist. Irritationen entstehen, wenn sich Rollen,  Funktionen und Arbeitsprozesse für die Mitglieder einer Organisation ändern. Hier muss mit den Menschen und an deren Kommunikation gearbeitet werden. Veränderungen passieren nicht von allein und schon gar nicht in die Richtung, die gewünscht ist.

Grenzen von Coaching

Alles in allem ist Coaching kein Heil – vielmehr ein Hilfsmittel in unserer immer komplexer werdenden Arbeitswelt. Es ist aber auch kein „Alleskönner“, denn es gibt Themen, die mit Coaching nicht zu bearbeiten sind. Unrealistische Erwartungen, psychische Störungen des Coachees und nicht veränderbare strukturelle Gegebenheiten setzten hier Grenzen. Suchtthemen gehören z.B. nicht ins Coaching. Das ist Sache von Therapeuten. Schwere Erschöpfungszustände, Burnouts, können nicht mit einem Coaching aufgelöst werden. Hier geht es in erster Linie um Genesung. Erst dann sollte sich wieder den kraftanstrengenden beruflichen Themen gewidmet werden.

Mittlerweiler hat Coaching nicht mehr den Stempel eines defizitbehafteten Vorgangs, so wie: „…der kann das nicht, der braucht ein Coaching.“ Zur Stärkung und zum Erhalt der Leistungsfähigkeit, zur Findung einer gesunden Work-Life-Balance und zum Aufbau der eigenen Selbstführung ist das Coaching mittlerweile in den Wohnstuben der Unternehmen angekommen und nicht selten entscheiden sich Menschen für ein Coaching ohne, dass der Arbeitgeber es bezahlt.

Wir werden hier in einer kleinen Reihe über Coaching schreiben und Fragen bei der Suche nach einem geeigneten Coach beantworten, welche Ansätze es gibt und was der Unterschied zwischen führen und coachen ist.

Über den Autor

Ina

Ina ist Personalerin mit Leib und Seele und war von Juni 2012 bis Mai 2015 unsere Frau an der “Front”. Sie hat bereits in der Personalentwicklung, als Headhunter und als Personalleiterin gearbeitet. Gegenwärtig war sie auch in Sachen systemische Beratung unterwegs, coacht und begleitet Fach- und Führungskräfte. Ina hat viel erlebt, was im Personalwesen passieren kann und ist gespannt auf das, was sie noch nicht erlebt hat. Über ihre Erfahrungen berichtete sie auch hier auf dem Bewerberblog.