Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Dieter Schütz / pixelio.de

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Chantal arbeitet nun schon seit drei Monaten im Kosmetikstudio „Beautiful Wonderland“ und fühlt sich dort eigentlich ganz wohl. Die Kolleginnen und die Kundinnen sind sehr nett. Eigentlich ein richtiger Traumjob. Nur ihre Chefin Verena Hübsch ist ein bisschen merkwürdig.

Beispielfall für Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Jedes Mal, wenn Chantal eine Kundin behandelt, kommt sie ins Behandlungszimmer. Das macht sie auch bei den anderen Mitarbeiterinnen. Ansonsten schließt sie sich in ihrem Büro ein, welches niemand sonst betreten darf. Sie zählt mindestens zweimal täglich die Lagerbestände durch, um zu kontrollieren, ob etwas fehlt. Die Mitarbeiterinnen müssen auch genau Buch über alle von ihnen verwendeten Cremes und Masken, Handtücher und Waschlappen etc. führen und täglich melden.

Chantal hat sich bis zum Montagnachmittag nichts weiter dabei gedacht. An diesem Tag zog sie sich, wie immer, in der Garderobe um. Sie war ganz allein im Raum. Auf einmal hörte sie ein leises Surren. Dieses kam aus der oberen rechten Ecke über den Spinden. Als sie genauer hinsah, entdeckte sie hinter einer Lüftungsschachtabdeckung eine kleine Videokamera, welche auf die Spinde, den Tisch und die Stühle davor gerichtet war. Chantal war außer sich – ihr Detektivgeist war geweckt. In den nächsten zwei Tagen sah sie sich vorsichtig im gesamten Studio um. Neben der Kamera in der Garderobe entdeckte Chantal weitere Kameras im Pausenraum, im Waschraum, in den Behandlungsräumen, am Empfang, im Lager und in den Büros der Verwaltungskräfte. Ja sogar auf der Mitarbeitertoilette waren Kameras angebracht. Im Büro der Chefin waren riesige Bildschirme und Aufnahmegeräte untergebracht. Verena Hübsch scheint unter einem regelrechten Überwachungszwang  a la NSA und PRISM zu leiden. „Das kann doch nicht rechtens sein“, denkt sich Chantal. Ist diese Art der Videoüberwachung illegal? Mit dem Arbeitsrecht durch den Inhalt des Arbeitsvertrags gedeckt? Was sagt ein eventuell vorhandener Betriebsrat zur Videoüberwachung bzw. Mitarbeiterüberwachung? Chantal überlegt sich, an einen Datenschutzbeauftragten zu wenden, vielleicht sogar ans Landesarbeitsgericht. Doch sie entschließt, sich erst einmal an ihre Rechtsanwältin Frau Dr. Redlich zu wenden.

Wann ist Überwachung der Beschäftigten am Arbeitsplatz legal?

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat bereits 2004 entschieden, das eine dauerhafte, verdachtsunabhängige Videoüberwachung gegen allgemeines Persönlichkeitsrecht und gegen das informationelle Selbst- und Mitbestimmungsrecht verstößt.

Eine Videoüberwachung darf nicht für verdeckte Mitarbeiterüberwachung, sonder nur durchgeführt werden, wenn sie zweckgebunden, z.B. zum Schutz vor Ladendiebstählen und Einbrüchen oder zur Absicherung von Gefahrenstellen ist.

Die Kameraüberwachung darf keine Orte filmen, die zum höchstpersönlichen Lebensbereich gezählt werden. Dazu gehören unter anderem:

  • Toiletten
  • Sanitätsräume
  • Foyer
  • Schlafräume
  • Umkleiden
  • Pausenräume

Diese Areale sind vor Videokameras durch den Datenschutz und das Arbeitsrecht geschützt, da sich Arbeitnehmer hier hauptsächlich privat verhalten.

Um mit einer Videoüberwachung am Arbeitsplatz nicht gegen die Rechte der Angestellten und damit das Arbeitsrecht zu verstoßen, muss der Arbeitgeber drei Grundsätze beachten:

  1. Mitarbeiterüberwachung: Schutzwürdiges Interesse der Arbeitgebers

Der Videoüberwachung muss laut Arbeitsrecht ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers zugrunde liegen. Dies ist etwa bei Diebstahl (Verlust des Eigentums) der Fall. Allerdings müssen dazu vor Beginn der Kameraüberwachung Anhaltspunkte vorliegen, eine vage Vermutung reicht nicht aus. Der Zweck der Videoüberwachung muss im Vorfeld konkret festgelegt und laut Arbeitsrecht dokumentiert werden.

  1. Offene Überwachung am Arbeitsplatz

Die Mitarbeiter müssen über die Videoüberwachung am Arbeitsplatz informiert werden und die Kameras müssen für alle sichtbar sein. Eine heimliche Kameraüberwachung ist derzeit nach Arbeitsrecht nur ausnahmsweise (als Ultima Ratio) zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers  besteht und weniger einschneidende Mittel ausgeschöpft sind. Außerdem darf eine verdeckte Überwachung nur für einen festgelegten, kurzen Zeitraum geschehen und ohne Aufzeichnung einer Tonspur. Zusätzlich darf der Ort der Kontrolle nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sein, wie beispielsweise ein Lager.

  1. Zustimmung des Betriebsrats zur Videoüberwachung

Der Arbeitgeber muss das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates beachten, sofern einer vorhanden ist. Jedoch wird eine unzulässige Überwachung durch die Zustimmung des Betriebsrates nicht zulässig.

Wie ist Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen Raum geregelt?

Anders ist die Videoüberwachung bei Orten geregelt, die von vornherein als öffentlich gelten. Diese sind damit prinzipiell überwachbar, wie:z.B.:

  • Tankstellen
  • Verkaufsflächen von Geschäften
  • Parkhäuser
  • Öffentlich zugängliche Bereiche von Unternehmensgrundstücken

Beim Gang in den Supermarkt oder in einen Bank können wir oft Videokameras beobachten. Aus der Natur der Sache heraus, nehmen diese natürlich nicht nur die Kunden auf sondern auch die Mitarbeiter. Diese sind in solchen Fällen sogar einer permanenten Überwachung ausgesetzt.

Hier hilft ein Blick ins Gesetz: Nach § 6 b Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, soweit sie

  • zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
  • zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
  • zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke

erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

Eine dauerhafte Videoüberwachung ist also zulässig, wenn der Arbeitnehmer nicht den eigentlichen Überwachungsgegenstand darstellt, sondern die Überwachung zum Schutz vor Diebstahl, Vandalismus oder Überfälle durch Dritte durchgeführt wird.

Die Überwachung muss deutlich sichtbar kenntlich gemacht werden und erhobenen Daten müssen unverzüglich gelöscht werden, wenn sie nicht mehr erforderlich sind.

Lösung des Beispielfalls zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Im Falle unserer Chantal und ihrer Chefin Frau Hübsch ist die Sachlage wohl eindeutig. Die Kameras zur Mitarbeiterüberwachung müssen weg. Einzig die verdeckte Kamera am Eingangsbereich könnte als Videoüberwachung zum Schutz vor Überfällen und ähnlichen Straftaten bleiben, wenn Frau Hübsch offen darauf hinweist und die Bänder regelmäßig löscht. Eine Kameraüberwachung des Lagers wäre nur zulässig, wenn ein konkreter Verdacht für Diebstähle vorliegen würde. Dies konnte Frau Hübsch jedoch nicht nachweisen.

Nach einem gemeinsamen Gespräch mit Chantal und Frau Dr. Redlich sah Verena Hübsch ihren Fehler zum Arbeitsrecht ein. Sie versprach ihren Mitarbeiterinnen ab sofort mehr zu vertrauen.

Anmerk. d. Autorin: Dieser Beitrag gibt die rechtliche Situation nur allgemein und verkürzt wieder. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt die individuelle Beratung im konkreten Einzelfall nicht. Jegliche Haftung wird trotz sorgfältiger Bearbeitung ausgeschlossen.

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Über den Autor

Dana Lipka

Dana zählt zum Urgestein unseres Unternehmens und ist seit 2005 zuständig für alles rund um das Thema Recht bei uns. Als Wirtschaftsjuristin informiert sie auf dem Blog in der Kategorie Arbeitsrecht regelmäßig über Gesetzesgrundlagen, kuriose Rechtsfälle und wissenswerte Neuerungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Ihre Fähigkeiten als Blogautorin stellt Dana auch auf ihrem privaten (Koch)Blog immer wieder gern unter Beweis.