Bewerbung & Interview

Miese Tricks im Bewerbungsgespräch

Data Mining, System, Quelle: geralt/pixabay.com
Geschrieben von Ina

Der Bericht einer Bewerberin über ein Bewerbungsgespräch hat bei uns im Büro heftige Diskussionen über Sinn und Unsinn von Psychotricks in Bewerbungsgesprächen ausgelöst. Was veranlasst eigentlich Personalverantwortliche in die Trickkiste zu greifen? Und sagt der Griff in die Kiste nicht mehr über den Interviewer aus, als dass man zusätzliche Erkenntnisse über die Persönlichkeit des Bewerbers oder der Bewerberin gewinnen kann?

Frau B. hatte in einem großen Technologieunternehmen ein Vorstellungsgespräch für den kaufmännischen Bereich. Bei Ihrer Aufgabe kommuniziert sie viel mit internen und externen Kunden. In dieser Kommunikation ist Sicherheit in der Gesprächsführung wichtig. Das Vorstellungsgespräch verläuft zunächst ganz normal. Etwas Small Talk, das Unternehmen stellt sich vor und die Bewerberin wird gebeten einen kurzen Abriss zu Stationen ihrer beruflichen Laufbahn zu geben. Plötzlich rückt der Personalchef von seinem Stuhl und ruft „Oh, eine Spinne unter dem Tisch.“. Die Bewerberin bleibt ruhig und wartet bis der Personaler sich beruhigt hat. Die ganze Zeit während des restlichen Gesprächs geht ihr dieser Moment jedoch nicht aus dem Kopf. Sie hat die Spinne nicht gesehen, da sie nicht während des Gesprächs unter den Tisch gucken wollte. Und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass da keine Spinne, sondern, dass dies ein Test war. Noch mehr bestärkt hat sie dann der Ausgang der Geschichte: nach einem sehr positiven Feedback, noch im Gespräch, bekam sie dann eine Absage. Nun fragt sie sich die ganze Zeit, was ist schiefgelaufen? Hat sie falsch reagiert? Was hätte sie anders machen können? Die Fragen treiben sie nun um und keiner wird ihre Fragen ehrlich beantworten.

Psychologie im Bewerbungsgespräch

Erkenntnisse aus der Psychologie werden heute sinnvoll in Gesprächen genutzt. Z.B. die Techniken aus der NLP (Neurolinguistische Programmierung), wie Rapport, Pacing und Leading gehören manchmal zum Handwerkszeug der Personaler. Rapport bedeutet die Fähigkeit, sich in einer Gesprächssituation an den Partner anzupassen. Durch Pacing versucht man dann die Körpersprache anzugleichen. Man kennt das aus guten Gesprächen, bei denen die Gesprächspartner mit fast der gleichen Körperhaltung im Raum sitzen. Ist der Rapport hergestellt, kann man der Gesprächsführung eine Richtung zu geben (Leading). Im Netz ein wenig gestöbert, findet man in den Foren schauerliche Geschichten über andere Psychotricks. Einmal stehen zu Beginn drei Gläser auf dem Tisch und es wird beobachtet, ob man sich das halbvolle oder das volle Glas nimmt. Ein weiteres Szenario:  Stühle unterschiedlichen Sitzkomforts stehen zur Auswahl und Bewerbern wird zugesehen, wie zielstrebig sie ihre Auswahl treffen. Mal abgesehen davon, ob die Sache mit der Spinne wirklich ein Test war, fragen wir uns: Warum werden solche Tricks genutzt? Die Erkenntnis, ob jemand das vollere Glas nimmt, kann doch sein, dass er oder sie vielleicht nach einem Besuch beim Lieblingsasiaten am Abend zuvor besonders durstig ist. Oder das der bequemere Stuhl genommen wird, weil eine Sportverletzung den Rücken quält. So lang solche Test unkommentiert bleiben und nicht entblindet werden, bringen sie keinen Erkenntnisgewinn.

Im Bewerbungsgespräch Vertrauen aufbauen

Also warum nun? Viele Personaler haben unendlich viele Bewerbungen auf dem Tisch und führen dementsprechend viele Gespräche. Vielleicht haben sie die Fantasie, so den Prozess etwas abzukürzen und sich die Mühe zu sparen, die Person, die ihnen gegenüber sitzt, wirklich zu ergründen. Ein Bewerbungsgespräch kann doch nur gut werden, wenn man Vertrauen aufbaut, viele Informationen austauscht und vor allem das Ungleichgewicht aufhebt, welches jedes Bewerbungsgespräch zu Beginn hat. Hier gibt es leider immer wieder Arroganz und die Bewerber fühlen sich als Bittsteller. Das wird in einigen Unternehmen auch mit sogenannten „High Potentials“ gemacht, um Bewerbern nach einer Zusage das Gefühl zu geben, der oder die Erwählte zu sein, die sich in einem knallharten Auswahlverfahren durchgesetzt hat. So geht das Spiel immer weiter. Aberwitzige Summen werden für ausgetüftelte Auswahlverfahren ausgegeben. Man müsste mal eine Rechnung machen, ob es kostengünstiger ist, Führungskräfte und Personaler zu Interviewprofis zu machen und mind. 1-2 Stunden für einen Bewerber einzuplanen. Denn wer kennt besser die Unternehmenskultur und –werte, die Teammitglieder und die Kunden, als die Mitarbeiter des Unternehmens selbst. Man könnte auch gleich mit dem Mythos aufräumen, dass standardisierte Verfahren immer die passenden Personen identifizieren. Am Ende entscheiden doch immer die Menschen. Ich hoffe nur, dass Unternehmen so mutig sind, einen absoluten Durchläufer im AC dann doch abzulehnen, weil er ihnen irgendwie unsympathisch war.

Wie immer gilt für den geneigten Bewerber, wenn etwas nicht transparent oder seltsam im Gespräch erscheint: Es mutig ansprechen! Störungen haben Vorrang, auch ein Prinzip aus der TZI (Themenzentrierten Interaktion), und wenn einen der Mut verlässt, hilft vielleicht ein kleiner Spaß darüber. Nach dem Motto: „Was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß“ Wilhelm Busch, kein Psychologe. 😉

Über den Autor

Ina

Ina ist Personalerin mit Leib und Seele und war von Juni 2012 bis Mai 2015 unsere Frau an der “Front”. Sie hat bereits in der Personalentwicklung, als Headhunter und als Personalleiterin gearbeitet. Gegenwärtig war sie auch in Sachen systemische Beratung unterwegs, coacht und begleitet Fach- und Führungskräfte. Ina hat viel erlebt, was im Personalwesen passieren kann und ist gespannt auf das, was sie noch nicht erlebt hat. Über ihre Erfahrungen berichtete sie auch hier auf dem Bewerberblog.