Was Personaler (unbewusst) beeinflusst
Personaler sind auch nur Menschen… Und Menschen machen Fehler. Eine ganz typische Kategorie sind – neben Faktoren wie Defizite bei der Rhetorik oder Kleidung in Bewerbungsgesprächen – in Beurteilungsfehler. Wenn viele Informationen in eine Entscheidung einbezogen werden müssen, lassen sich häufig psychologische Effekte beobachten, die die Wahrnehmung, Erinnerung und Interpretation von Fakten beeinflussen bzw. verzerren. Gerade im Bewerbungsgespräch kann es für Kandidaten von Vorteil sein, diese Effekte zu kennen und möglicherweise sogar für sich zu nutzen.
1. Chamäleon-Effekt:
Chamäleons passen sich an ihre Umgebung an, indem sie diese imitieren. Der Chamäleon-Effekt überträgt dieses Prinzip auf den Menschen und ist besonders häufig bei Verliebten zu beobachten. Sie passen sich einander in Körperhaltung, Sprache und manchmal sogar ihrem Kleidungsstil an. Die Imitation stellt Ähnlichkeit zwischen beiden her, welche wiederum für Sympathie sorgt. In Bezug auf Sitzposition, Mimik oder Gestik läuft dies, unter Beteiligung sogenannter Spiegelneuronen im Gehirn, sogar völlig unbewusst ab.
Tipp: Den Gesprächspartner plump zu imitieren, ist nicht zu empfehlen, da es schnell künstlich oder sogar unterwürfig wirkt. Ein wenig auf Körpersprache, Sprechtempo oder Ausdruck des Interviewpartners zu achten und sich dezent (!) daran anzupassen, kann aber Sympathiepunkte bringen.
2. Halo-Effekt
Bei diesem Phänomen „überstrahlt“ eine einzelne (bekannte) Eigenschaft, zum Beispiel die äußerliche Erscheinung, alle anderen (unbekannten) Eigenschaften und färbt das Urteil entsprechend ein. Jene Eigenschaften, die das Gesamtbild verzerren, stehen dabei in keinem objektiven Zusammenhang mit den Kriterien, die eigentlich für die Entscheidung zu berücksichtigen sind: Attraktivität, sozialer Status, Übergewicht oder eine Behinderung haben für viele Jobs prinzipiell keine Relevanz, werden aber eventuell trotzdem vom Interviewer mit Intelligenz, Fachkompetenz oder Teamfähigkeit in Verbindung gebracht.
Tipp: Im Idealfall kann der Bewerber von diesem Effekt sogar profitieren. Negative Halo-Effekte können zum Teil einfach vermieden werden (z.B. auf gepflegte Kleidung achten), andere kann man entkräften, indem man direkt anspricht bzw. belegt, dass ein eventuell kritisches Merkmal keine Relevanz für die Stelle hat.
3. Primacy- und Recency-Effekt
Bei diesen Effekten handelt es sich um Verzerrungen des Gedächtnisses. Von einer längeren Reihe von Fakten merkt man sich nachweislich die ersten (primacy) und die letzten (recency) besonders gut. Entsprechend werden dem Personaler nach dem Bewerbungsgespräch sehr wahrscheinlich der berühmt-berüchtigte erste Eindruck und die letzten Minuten vor Gesprächsende im Gedächtnis bleiben. Bezogen auf eine Reihe von Gesprächen mit verschiedenen Bewerbern dürften vor allem der erste und der letzte Kandidat einen bleibenden Eindruck hinterlassen (unabhängig davon, ob dieser positiv oder negativ ausfällt).
Tipp: Der geschickte Bewerber kann sich diese Effekte zu Nutze machen, indem er auf solche heißen Phasen besonderen Wert legt, beispielsweise wenn er zu einer Selbstpräsentation aufgefordert wird.
4. Hawthorne-Effekt
Der Hawthorne-Effekt ist bei psychologischen Experimenten einer der wichtigsten, die stets berücksichtigt werden müssen. Er beschreibt, dass allein die Tatsache, dass Menschen wissen, dass sie beobachtet werden, dazu führt, dass sie sich anders verhalten. Ein Bewerbungsgespräch ist zwar kein Verhaltensexperiment, aber definitiv eine Situation, in der man sich stark und zu Recht – unter Beobachtung fühlt.
Tipp: Für Nervositätsgeplagte ist dieser Effekt sicherlich nichts Neues, und vielleicht auch nicht besonders ermutigend. Allerdings kann eine Beobachtungssituation nachweislich die Motivation und die Leistung bei Tests oder Probearbeiten steigern. Davon abgesehen wissen Personaler, dass der Kandidat unter Druck steht und verzeihen Unsicherheiten oder Fehler unter diesen besonderen Umständen auch.
5. Rosenthal-Effekt
Ein Effekt, der in engem Zusammenhang mit dem Hawthorne-Effekt steht, ist der Rosenthal-Effekt. Hier sind es Erwartungen oder Stereotype, die (bewusst oder unbewusst) das Verhalten der Gesprächspartner beeinflussen, indem sie als „selbsterfüllende Prophezeiung“ wirken. Ursprünglich im Zusammenhang mit positiven Erwartungen entdeckt, können auch negative Erwartungen in dieser Weise bestätigt werden.
Tipp: Eine negative Erwartungshaltung („Die werden mich für ungeeignet halten“) ist weder für die eigene Motivation, noch für die Beziehung zum Interviewpartner eine Hilfe. Dagegen können Bewerber durch positive Erwartungen an sich selbst und an das Gespräch ihre Erfolgschancen deutlich verbessern.
Egal, ob im Alltag oder im Bewerbungsgespräch, es kann sehr spannend sein, den einen oder anderen dieser Effekte einmal bewusst zu beobachten und selbst auszuprobieren! Viel Spaß dabei 🙂