(Neue) Arbeitswelt

Sabbatical: Ich bin dann mal weg!

Rio_Sabbatical_Bewerberblog
Geschrieben von Angelika

In gut fünf Wochen setze ich mich mit meiner Familie ins Flugzeug nach Sao Paulo. Der Grund: Für 10 Wochen raus aus der Komfortzone, raus aus der Kälte, raus aus dem Vorweihnachtsstress, raus aus der Arbeit und rein in eine unbekannte Welt bestehend aus Naturwundern, spannenden Reisebegegnungen, Samba ohne Ende, einer entspannten Lebensart, aber auch eine Welt mit allerlei giftigem Krabbelgetier, erhöhtem Krankheitsrisiko und uns unbekannter Kriminalität. Klingt komisch, ist aber wahr: Vor allem freue ich mich darauf, das tägliche Zuviel abzustreifen und mal wieder mit Einschränkungen zu leben – als Backpacker (fast) jeden Tag die gleichen Klamotten überzuwerfen und ausschließlich (über(lebens))wichtige Dinge mit mir zu tragen.

Herkunft: Sabbatical

Diese Reise fällt unter das Stichwort: Sabbatical. Der Begriff stammt aus dem Hebräischen und bezeichnet ein Gebot aus der Tora, wonach alle sieben Jahre sowohl Felder als auch Weinberge nicht besät oder bearbeitet werden sollen. Eine Art verordnete Ruhezeit, die auch aus der Wortbedeutung selbst hervorgeht: Das hebräische Wort „sabat“ lässt sich nämlich mit „inne halten“ übersetzen.

Alle 7 Jahre also. Innehalten, ruhen oder sich mit etwas ganz anderem beschäftigen um eigener Kraft und Kreativität eine neue Chance zu geben. Das ist der Sinn eines Sabbaticals.

Auch wenn manchem dieser Sinn einer solchen Auszeit verborgen bleibt, so schauen doch viele fragend interessiert, wie man sich ein solches Vorhaben organisatorisch und finanziell leisten kann und würden es gern selbst tun.

In unserem Fall bin es nicht nur mehr ich, sondern vier Personen mit unterschiedlichem Alter, in unterschiedlichen „Einrichtungen“ (Kita, Schule, Arbeit), nicht ganz der Norm entsprechenden Familienzusammenhängen, unterschiedlichen Nationalitäten, Impfstati und Gesundheitsbedürfnissen. Eine ganze Menge organisatorischer Aufwand also. Trotzdem: Wer will, der kann auch!

Nun, zunächst einmal muss man Wünsche zulassen, sich Fragen stellen und ein Ziel daraus ableiten können.

Warum möchte ich / möchten wir ein Sabbatical nehmen?

Ich sage nur: Tretmühle, Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen, Kraft- und Energielosigkeit, Unkreativität, jeden Tag das Gleiche, Lust auf Neues, Lust auf Fremdes, Lust auf sich selbst, Lust aufs Leben…

Na, ist irgendetwas für den geneigten Leser dabei?

Wofür möchte ich eine Auszeit nehmen?

Vielleicht ist es tatsächlich eine Reise, für die man einfach mal Zeit haben möchte. Eventuell aber eine Fähigkeit, die man erlernen kann, wenn man nur mal eine Pause vom Alltag hat, wie z.B.

  • Töpfern, Gitarre oder Haare schneiden lernen
  • in ein buddhistisches Kloster gehen
  • auf den Pfaden berühmter Leute wandeln
  • körperliche anstatt geistige Arbeit verrichten
  • echte Abenteuer erleben
  • fremden Kulturen begegnen
  • Schildkröten retten
  • ein Boot bauen lernen
  • Müll aus dem Meer sammeln
  • einen Brunnen in Benin bauen
  • Englisch in Laos unterrichten
  • und und und…

Wie lange soll das Sabbatical dauern?

3 Monate – überschaubar

6 Monate – lohnt sich erst recht

12 Monate – in dieser Zeit kann man unter Umständen mehr erleben, als in den 12 Jahren zuvor!

 

Welche finanziellen Rücklagen benötige ich dafür?

Doubtful_Sound_Fjord

Doubtful Sound Fjord in Neuseeland

Geld braucht man natürlich entsprechend des Bildungs- bzw. Reisezieles unterschiedlich viel. Hat man die Chance unterwegs zu arbeiten, wie z.B. die Bloggerin Maike Winnemuth, benötigt man unter Umständen gar keine große „Auszeit“-kasse. Wichtig ist jedoch, dass man beim Reisen einen

Ballons_ueber_Bagan

Ballons über den Pagoden von Bagan

ordentlichen Puffer einplant, um sich Erlebnisse außer der Reihe (Flug über den Doubtful Sound oder Ballonfahrt über die Pagoden von Bagan) leisten zu können. Denn: diese Erlebnisse brennen sich ein und niemand kann sie einem nehmen!

 

 

Möglichkeiten eine Auszeit zu nehmen:

  • Urlaubstage ansparen, aus zwei Jahren zusammenhängend z.B. über den Jahreswechsel nehmen
  • Unbezahlten Urlaub nehmen – empfehlenswert: pro Monat hälftig bezahlt und hälftig unbezahlt nehmen, hier bleibt der Krankenversicherungsschutz bestehen
  • Vorarbeiten (Interessant für diejenigen, die Teilzeit arbeiten und so die erforderlichen Tage in Vorbereitung auf das Sabbatical vorarbeiten können)
  • Geld ansparen und kündigen – hier sollte man unbedingt einen Plan für Zeit nach der Rückkehr haben, z.B. um problemfrei wieder ins Krankenversicherungssystem zu gelangen

Wie sage ich es meinem Chef?

Am besten längerfristig im Voraus. Erlaubt einem der Arbeitsvertrag die Auszeit-Nahme, heißt das nicht automatisch, dass der Arbeitgeber weiß, wie man solch eine Abwesenheit optimal realisiert. Vielleicht hat diese Möglichkeit vor einem selbst noch keiner der Kollegen wahrgenommen. Hier heißt es, gemeinsam mit dem Vorgesetzten und der Personalabteilung über den Plan zu sprechen und selbst Vorschläge zu unterbreiten.

Wie geht es nach meiner Rückkehr weiter?

In der einen Situation ist es gut, einfach mal nicht zu wissen, wie es weiter geht. Es lässt einen unendlich frei fühlen. Aboriginees nennen dieses Einfach-mal-losgehen-und-nicht-wissen-wann-und-ob-man-wiederkommt „go walkabout“.

Sind Verpflichtungen da, wie Kredite, Kinder usw. sollte die „Wie geht es danach weiter – Frage“ vor der Auszeit geplant werden. Dann erst kann man in Ruhe abschalten.

Ist ein Sabbatical etwas für jeden von uns?

Es ist zumindest etwas für jeden, der keine Angst vor der Angst hat. Ängste begleiten uns in solchen Phasen nämlich auch und das ist gut so. Aber diese Erfahrungen machen uns stärker und lassen unsere Seele aufleben und tonisieren somit auch unseren Körper.

Aber Achtung: auf Grund einer eigenes an mir durchgeführten Studie kann ich mit Sicherheit behaupten, dass ein einmal eingefangenes echtes Sabbatical-Reisevirus sich zwar einkapseln und auf Zeit aus dem Sichtfeld verschwinden kann. Dauerhaft unterdrücken lässt er sich jedoch nicht. Wiederholungstaten sind daher vorprogrammiert…

Über den Autor

Angelika

Angelika kümmerte sich von 2010 bis 2017 um die Vermittlung von Freiberuflern. Sie hat Betriebswirtschaft studiert und ist zudem ausgebildete Heilpraktikern. Im Büro sorgte sie für unser medizinisches Wohl und außerdem, dank ihres wunderbaren Humors, oft für gute Laune.