IT & Technik

Informatik studieren?!

Quelle: Tim Reckmann/pixelio.de
Geschrieben von Anna

In der letzten Woche konntet ihr hier bereits den ersten Teil des Interviews mit Professor Klaus Küspert vom Informatik-Lehrstuhl für Datenbanken und Informationssysteme der Uni Jena lesen. Natürlich möchten wir euch auch den zweiten Teil nicht vorenthalten. Im Fokus heute: Frauen in der Informatik und Trends der Zukunft …

2. Teil des Interviews

Bewerberblog: Der Anteil an Informatikstudentinnen ist offenbar recht gering, wir merken es auch an der Zusammensetzung der Bewerberschar – die Herren dominieren. Woran mag das liegen und kann man etwas dagegen unternehmen?

Prof. Küspert: Ein sehr wahres Thema und schon immer zu beobachten. In meinem eigenen Informatikstudium, vor ein paar Jahren also 😉 , war’s auch schon so bzw. vielleicht noch krasser: Ich studierte an der TH (heute TU) Darmstadt. Welches Mädchen wollte schon Informatik studieren und dann auch noch an einer Technischen Hochschule/Universität? Fragen Sie mich bitte nicht, wie hoch etwa der prozentuale weibliche Anteil der Informatikstudierenden etwa an der RWTH Aachen heute ist – ich weiß es nicht, ahne aber…

Dazu also ein paar Bemerkungen: Zum einen denke ich, dass es in den Ingenieurwissenschaften genau so ist: Klassischer Maschinenbau, Elektrotechnik, gar Bergwissenschaften, … Sie können die weiblichen Studierenden vermutlich oft an einer Hand abzählen. Informatik ist genau genommen, laut Definition, keine Ingenieurwissenschaft, deshalb ja auch das bekannte Akronym MINT, wo Informatik eigenständig gezählt wird. Informatik ist aber durchaus in der „Nähe“ der Ingenieurwissenschaften und das ist auch gut so. Jetzt kann man natürlich sagen: „Das lindert den Kummer nur wenig, dass es anderen Studiengängen auch nicht anders oder besser geht als der Informatik.“ Ja.

Es fängt schon in der Schule an: Informatik, wenn überhaupt angeboten, wird dort auch nicht gerade von den Mädchen überrannt nach meinem Kenntnis- und Erfahrungsstand. Es ist halt gesellschaftlich in Deutschland weit in den Köpfen verankert, dass eher die Männer „an den Rechenautomaten stehen“ als die Frauen. In den USA z.B. ist das meines Wissens durchaus etwas anders im Bewusstsein und in der Realität.

Nächste Beobachtung: In den Bindestrichfächern ist der Damenstudierendenanteil durchaus höher, immerhin: Das gilt bei uns etwa für die Wirtschaftsinformatik, die Bioinformatik (die ohnehin), auch die Wirtschaftsmathematik (sie hat auch Informatikbezüge, natürlich). Ich denke, die Gründe sind wieder unterschiedlich. So bevorzugen Damen vielleicht in der Tat etwas mehr die Anwendungen einer Disziplin oder die Mixtur aus Grundlagen UND Anwendungen. Das spricht für den Wirtschaftsinformatikstudiengang, den ich sehr schätze (er wird in Jena gemeinsam von der Wirtschaftswissenschaftlichen und der Fakultät für Mathematik und Informatik betrieben, das schon seit etwa 15 Jahren). Bei der Bioinformatik dagegen ist’s wohl das Gebiet „Bio“, das die Damen anspricht und wo vielleicht auch in den Schulen das Schülerinneninteresse ausgeprägter ist als bei den männlichen Schülern. Und Wirtschaftsmathematik hat eben nicht so das „Ingenieursimage“ wie Informatik und anderes.

Lösungen: Guter Rat ist teuer. Zum einen sollte natürlich (noch) mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden in der „Gesellschaft“, an Schulen, bei Schülerinnen. Da tun wir seitens der Jenaer Informatik einiges und deutlich mehr als etwa vor 10 Jahren und andere Hochschulen tun dies auch. Ob sich’s schon quantitativ auswirkt, kann ich nicht sagen, wahrscheinlich allenfalls marginal bisher. Außerdem kann man sich natürlich daran etwas erfreuen, dass eben die Wirtschaftsinformatik ja einen vorzeigbaren Damenanteil hat – immerhin. Später im Beruf ist ja das Einsatzspektrum von Informatikern einerseits und Wirtschaftsinformatikern andererseits nicht immer sooo getrennt und unterschiedlich, gebraucht werden beide Klientel in den meisten Unternehmen.

Bewerberblog: Wagen wir mal einen Blick in die Zukunft. Wo liegen Ihrer Meinung nach die spannenden Themen der IT-Zukunft bzw. damit verbunden, was sind gute berufliche Einstiegsfelder für Informatiker?

Prof. Küspert: Spannende Themen der IT-Zukunft: So ganz der „Visionär“ bin ich eigentlich nicht, es gibt ja auch den sarkastischen Spruch: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ 😉 Nein, Blick nach vorne ist schon gut und nötig. Vieles wird sich in Zukunft um Schlagworte, die es ja schon seit ein paar Jahren gibt, wie „Internet der Dinge“, „Industrie 4.0″ und ähnliches drehen. Natürlich ganz stark damit verbunden das Thema „Mobilität“ in all dem. Da waren wir am Lehrstuhl auch schon „visionär“: Eine Doktorarbeit zu Mobilen Datenbanken wurde bereits von 1999-2004 bearbeitet und kam zu sehr guten Ergebnissen.

Natürlich spielt das ganze Thema „Business Intelligence“, „Business Analytics“ und in welchen Begriffen auch immer eine immer größere Rolle. Das geht einher mit mehr Systemfähigkeiten in Bereichen wie Natürlichsprachliche Systeme, Sprachverstehen und -generierung und dergleichen. Ich war vor meinen aktuell 20 Universitätsjahren in Jena 10 Jahre bei IBM in Heidelberg tätig. Damals waren schon solche Gebiete um die „Natürlichsprachlichkeit“ herum erfolgreich bearbeitet worden. Der breite Einzug in die Praxis hat aber nach meinem Eindruck erst begonnen und wird weiter Momentum erhalten.

Bewerberblog: Vielen Dank für diese Einblicke! Möchten Sie unseren Lesern und jenen, die noch überlegen, ob sie Informatik studieren werden, etwas auf den Weg geben?

Prof. Küspert: Viele Studierende sind zu stark rein „Konsumenten“ der Lehrveranstaltungen – man sitzt drin, lässt sich berieseln (hört vielleicht wirklich sogar zu…), bleibt passiv. Das erscheint mir ganz schlimm.

Es mag ja in großen Lehrveranstaltungen mit -zig oder Hunderten von Teilnehmern gar nicht anders gehen. Solche Lehrveranstaltungen gibt es aber in der Jenaer Informatik zum Glück so gut wie nicht. Es sind meist überschaubare Teilnehmerzahlen, selten viele Dutzend. Ein Diskussionsmodus wäre da viel besser als ein Monologmodus seitens des Dozenten.

Ich selbst versuche diesen Diskussionsmodus seit 20 Jahren, aber es ist schwierig, es „kommt“ oft zu wenig seitens der Teilnehmer. Wenn man Fragen ans Auditorium stellt, antworten nur recht wenige und oft eher die gleichen. Viele setzen sich in Lehrveranstaltungen schon so, damit der Dozent sie hoffentlich nicht ansprechen kann: Abstand, Deckung. Das ist ausgesprochen schade.

Wie der alte Spruch lautet: „Es gibt keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten und eigentlich nicht mal die.“ Viele Studierende trauen sich aber nicht zu fragen. Die einen, weil sie wohl doch fürchten, ihre Frage würde von Kommilitonen – oder dem Dozenten – als „dumm“ angesehen. Die anderen, weil sie vor ihren Kommilitonen nicht als „Schlaumeier/Besserwisser“ erscheinen möchten. Resümee: Fast gar keiner fragt und sagt etwas. Und ähnlich, wenn der Dozent Antworten hören möchte, die bleiben auch weitgehend aus. Das tut auf Dauer weh und nimmt dem Dozenten ein wenig die Lebensfreude.

Nach meinem Eindruck sind diesbezüglich etwa Informatikstudierende auch noch im Mittel etwas „schlimmer“ als etwa die Wirtschaftsinformatikstudierenden. An dem alten Spruch vom teils „Nerd“ in der Informatik ist leider schon ab und an was dran. Es wäre sehr begrüßenswert, wenn sich die Studierenden das etwas zu Herzen nehmen würden, dass man diesbezüglich „an sich arbeitet“ – es hilft, erfreut den Dozenten und gibt einem Selbstbewusstsein. Die berühmten „social skills“ sind schon sehr wesentlich im Studium und danach, mindestens so wichtig wie die fachlichen Aspekte und Fähigkeiten.

Über den Autor

Anna

Anna, unsere „Frau fürs Schöne“, war bis November 2016 verantwortlich für alles rund ums Personalmarketing. Als studierte Kommunikationswissenschaftlerin mit Nebenfach Psychologie kam sie 2013 zu uns ins Team. Seitdem berichtete sie über den Weg vom Berufsanfänger zum "Experten" und schrieb mit Einfühlungsvermögen über die Höhen und Tiefen bei der Jobsuche und im Arbeitsalltag. Im Büro versorgte Hobbyköchin Anna uns mit den neusten Rezepten, flotten Sprüchen und viel guter Laune.