Ratatouille

Praktikum in Japan

Am Wochenende habe ich mal wieder in uralten Kamellen rumgekramt. Da fielen mir Papiere von meinem Praktikum in Japan in die Hand – 10 Jahre ist das schon wieder her! Auf jeden Fall gehört diese Erfahrung in meine Sammlung „Die beste/n Zeit/en meines Lebens“…

Für viele ist Japan ein Buch mit sieben Siegeln. Ich hatte zwar den Vorteil, eine sehr enge japanische Freundschaft zu hegen und war daher auch schon viel gereist und hatte einen Sommer in einer japanischen Familie verbracht, aber in Japan zu arbeiten ist dann doch immer noch mal was ganz anderes.

Wer ein Praktikum in Japan sucht, hat es meist schwer, da es dort nicht üblich ist, Praktika zu absolvieren. Nach dem Studium bewerben sich die jungen Japaner bei den verschiedenen Arbeitgebern und arbeiten dann meist das erste Mal in ihrem Leben. Es ist die Aufgabe des Managers Stärken seiner Mitarbeiter herauszufinden und sie dann dementsprechend gezielt dort einzusetzen, wo sie ihre Fähigkeiten weiterentwickeln und zum Glänzen bringen können.

Ich hatte direkt nach dem Studium versucht, bei deutschen Firmen mit japanischer Niederlassung Arbeitserfahrung in Form eines Praktikums  sammeln zu können. Es hagelte geschlossen Absagen. Erst mehrere Jahre später – fünf um genau zu sein – bekam ich plötzlich über das altbewährte Vitamin B die Möglichkeit für 3 Monate nach Higashi Hiroshima zu gehen – zu Webasto.

Mein damaliger Arbeitgeber wollte mir nur ungern eine „Auszeit“ geben, wollte mich mit Laptop und Telefon ausstatten, um meinen regulären Job dort weitermachen zu können. Für mich gab es jedoch nur zwei Möglichkeiten: entweder die Gewährung eines Sabbaticals oder aber Kündigung. Manchmal muss man eben konsequent sein… Mein Chef machte mit und so nahm ich für 3 Monate unbezahlten Urlaub.

Mit schweren Koffern kam ich an einem Samstagnachmittag mit dem Shinkansen am Bahnhof von Higashi Hiroshima an und mein „Manager“ erwartete mich schon, brachte mich in die von der Firma gemietete Wohnung und holte mich auch am ersten Arbeitstag ab, da man ca. 15 Minuten in das Gewerbegebiet fahren musste, wo Webasto seine Produktionsanlagen für Dachsysteme und auch die entsprechenden Büros hat. Da bekam ich gleich einen kleinen alten grünen Daihatsu-Firmenwagen verpasst mit dem Hinweis, erstens immer links zu fahren und zweitens keinen schwarzen Mercedes mit Anzug und Sonnenbrillen tragenden Yakuza zu rammen, denn das gäbe Ärger. Alles klar, dachte ich und schluckte.

Im Großraumbüro standen die Tische der ungefähr 12 Abteilungen, am Tischende saß jeweils der Manager, der  morgens als Erster kam und abends als Letzter ging. Kurz nach 8 Uhr kam jeden Morgen der Aufruf zum Taiso, wo alle auf den Flur liefen und gemeinsam Gymnastik-Übungen machten. Jeden Donnerstag morgen wurden die Putzlappen geholt und jeder reinigte emsig seinen Arbeitsplatz. Pausen gab es per Gong, vormittags und nachmittags je 10 und mittags 45 Minuten – wenn ich mich recht erinnere. Mittags wurden die PCs runtergefahren und das Licht ausgeschaltet. Essen gab es eine Etage tiefer – immer dampfenden Reis mit Gemüse, Fisch, manchmal Fleisch und Miso-Suppe. Nach dem Mittagessen trafen sich die Frauen im Waschraum wieder, wo sie sorgsam ihre meist schief gewachsenen Zähne putzten. Der Toilettengang wurde von einem ständigen Wasserspülen begleitet, damit die Anderen das natürliche Geplätscher nicht hören konnten. Eine wahnsinnige Wasserverschwendung – ich hoffe, dass auch da mittlerweile die Erfindung der Sound Princess Einzug gehalten hat.

Am spannendsten fand ich immer, wie anders Probleme gelöst werden im Land der aufgehenden Sonne. Hat einer ein Problem, kommt nicht ein Kollege, sondern meist viele Kollegen, um zu helfen. Manchmal schauen aber auch alle nur ratlos drein – ein Gemeinschaftsgefühl macht sich breit. Absprachen werden mindestens einmal schriftlich bestätigt – von jeder Seite natürlich. Fährt eine Kollegin in den Urlaub – nennen wir ihn aufgrund der japanischen Kürze „verlängertes Wochenende“ – bringt sie den anderen immer ein Souvenir mit – kleine Briefbeschwerer, Süßigkeiten, Stofftücher.

Was ich besonders schön fand, war der Brauch, neue Kollegen zu begrüßen oder andere zu verabschieden:  Man geht abends zusammen als Abteilung in ein Restaurant und lädt den, der neu kommt oder den, der geht, gemeinsam ein. Wenn’s passt, geht man anschließend noch etwas trinken oder zum Karaoke – da habe ich wirklich sehr entspannte, sehr fröhliche Momente mit den japanischen Kollegen verbracht!

Was meine Arbeit anging, so habe ich Englisch unterrichtet und Dokumente vom Deutschen ins Englische übersetzt, z.B. Patente und FMEA-Papiere und auch arbeitstechnisch dazugelernt.

Am Ende aber bleiben die ganzen zwischenmenschlichen Erfahrungen präsent, all das, wo es nichts bringt, es erzählt zu bekommen oder irgendwo zu lesen – man muss es selbst erlebt haben!

Wer also in einem so ganz anderen Land Erfahrungen sammeln möchte, dem wünsche ich den Mut, um Geplantes in die Tat umzusetzen und natürlich viel Erfolg!

Über den Autor

Angelika

Angelika kümmerte sich von 2010 bis 2017 um die Vermittlung von Freiberuflern. Sie hat Betriebswirtschaft studiert und ist zudem ausgebildete Heilpraktikern. Im Büro sorgte sie für unser medizinisches Wohl und außerdem, dank ihres wunderbaren Humors, oft für gute Laune.