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Data Mining (3) – Recht und Ethik

Data Mining, Datensicherheit, Quelle: geralt/pixabay.com
Geschrieben von Gastautor

Heute dürfen wir euch den dritten und letzten Teil aus Jans Serie zum Thema Data Mining bei der Personalauswahl präsentieren.

In Teil 1 und Teil 2 des Artikels habe ich Data Mining als ein mächtiges Werkzeug bei der Analyse von großen Datenmengen vorgestellt, aber auch die zahlreichen Schwierigkeiten und Herausforderungen aufgezeigt, die bei der Anwendung auftreten können. Im letzten Teil möchte ich mich noch einem Punkt widmen, der für die konkrete Anwendung von entscheidender Bedeutung ist aber trotzdem häufig nicht beachtet wird: Die rechtlichen und ethischen Aspekte der Datenanalyse.

Rechtliche Aspekte

Rechtliche Aspekte können bei der Anwendung von Data Mining einerseits durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) relevant werden, andererseits durch das Antidiskriminierungsgesetz.

Das Antidiskriminierungsgesetz schränkt die Informationen ein, die man für den Data Mining-Prozess verwenden darf. Das heißt, man sollte bestenfalls erst gar nicht damit anfangen, Informationen wie Geschlecht oder Religion für die Entscheidungsfindung heranzuziehen. Einzige Ausnahme: die Kontrolle, ob die eigenen Entscheidungsträger eventuell selbst unbemerkt und unterbewusst diskriminieren. Ergibt das Data Mining-Verfahren für eine bestimmte Gruppe, z.B. Ausländer systematische Unterschiede zwischen objektiver Eignung und tatsächlicher Entscheidung des Personalers, so kann eine unterbewusste Entscheidungsverzerrung vorliegen.

Mit dem BDSG kommt man nur dann in Konflikt, wenn personenbezogene Daten verwendet werden. Das ist dann ein Problem, wenn beispielsweise die Leistung bestehender Mitarbeiter analysiert werden und in die Datenbank aufgenommen werden soll, um die zukünftige Personalauswahl zu unterstützen. Wenn der Datensatz hingegen mit der Entscheidung „Einstellung“ oder „Ablehnung“ abgeschlossen ist, dann können die Informationen auch ohne Personenbezug gespeichert werden und das BDSG wird nicht berührt.

Wenn die Profile neuer Bewerber hingegen mittels Data Mining ausgewertet werden sollen, so geschieht das ja in jedem Fall personenbezogen. Hier wird das BDSG noch einmal relevant: Denn das verbietet nach §6a z.B. eine automatisierte Vorauswahl von Bewerbern.

Data Mining darf dementsprechend nur ein Baustein einer Entscheidungsfindung sein und zusätzliche Informationen liefern. Dementsprechend muss sich wohl kein Personaler sorgen machen, dass in Zukunft ein Computer die Auswahl geeigneter Bewerber übernimmt. Andererseits sollte man der Technologie offen gegenübertreten, denn sie hat in den vergangenen Jahren schon Viele eines Besseren belehrt, die meinten: „Das kann ein Computer nicht besser, als ein Mensch.“.

Ethische Bedenken

Neben den rechtlichen Aspekten gibt es nicht zuletzt häufig ethische Bedenken. Dabei scheint es, dass auch in diesem Bereich die größte Kritik von Personen kommt, die sich am wenigsten mit dem Thema auskennen. Das kennt man ja schon von der Ablehnung von Egoshootern, Drogen, Ausländern und Social Media.

Die Schufa steht beispielsweise häufig in der Kritik, z.B. wenn eine Person angeblich nur deswegen keinen Kredit erhält, weil sie in einem „schlechten“ Stadtteil wohnt. Jeder muss sich seine eigene Meinung darüber bilden. Man sollte aber das generelle Vorhandensein einer Informationsasymmetrie nicht demjenigen anlasten, der mit den besten ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, diese zu überwinden.

Die Schufa ist nicht dafür verantwortlich, dass ein Kreditgeber nicht von außen erkennt, ob der Kreditnehmer vertrauenswürdig ist. Die Alternative zu einer Schufa-Bewertung wäre, dass einfach jede Person einen Kredit bekommt und zwar zu einem hohen Durchschnittszinssatz, sodass die vertrauenswürdigen Kreditnehmer, die jeden Monat ihre Raten pünktlich überweisen, für diejenigen mitbezahlen, die über ihre Verhältnisse gelebt haben und deren Kredite dadurch geplatzt sind. Dadurch würde eine viel größere Anzahl an Menschen benachteiligt werden, als es mit einem Kreditrating der Fall ist, bei dem einige wenige falsch „einsortiert“ werden. Die Lösung ist nicht optimal aber die bestmögliche aller schlechten Lösungen.

Weiterhin ist ein Data Mining-Algorithmus objektiv und diskriminierungsfrei. Nur Merkmale, die das Ergebnis beeinflussen, werden durch ihn verwendet. Es ist egal, welche Hautfarbe oder welches Geschlecht jemand hat, ob er alt oder jung ist oder wer seine Eltern sind, sofern sich diese Dinge nicht auf seine Performance auswirken.

Anwendungsmöglichkeiten

In Bezug auf die Personalauswahl kann ich mir nun zwei große Anwendungsmöglichkeiten vorstellen:

  1. Kann man mithilfe von Data Mining aktuell verwendete Eignungskriterien überprüfen (z.B. Studiendauer, Abschlussnote, Branchenerfahrung) oder neue Kriterien finden, die bisher unbeachtet blieben um diese dann „per Hand“ anzuwenden. Das ist also der Fall der Abhängigkeitsentdeckung.
  2. Kann man für konkrete Bewerber Prognosen erstellen und so die (Vor)auswahl unterstützen. Hierbei geht man von früheren Fällen aus und versucht anhand deren Eigenschaften die neuen Bewerber der Kategorie „Gut“ oder „Schlecht“ zuzuordnen.

Ein Teilaspekt des zweiten Punktes ist es, mögliche Wahrnehmungsverzerrungen des Entscheidungsträgers aufzudecken und zu verhindern. Stellen weibliche Entscheider beispielsweise seltener weibliche, als männliche Bewerber ein, obwohl objektiv die gleiche Eignung besteht, so kann eine Analyse dieses Verhalten aufdecken.

Das schöne ist, dass ein Data Mining-Verfahren ständig hinzulernt, da immer neue Fälle die Datenbasis, auf die sich die Entscheidungen stützen, verbessern.

Ausblick

Die Anwendung wird sich zunächst wahrscheinlich auf große Konzerne oder Personalvermittler konzentrieren, da es in absehbarer Zeit wohl keine allgemeingültigen Ansätze geben wird und in kleinen Unternehmen erstens die Datenbasis zu klein ist, um sinnvolle Informationen zu generieren und es sich zweitens nicht lohnt, ein teures Data Mining-System hochzuziehen.

Weiterhin benötigen unterschiedliche Branchen ganz verschiedene Lösungen. Beispielsweise fällt es in den USA Transportunternehmen ausgesprochen schwer, geeignete Truck-Fahrer zu finden und diese langfristig an das Unternehmen zu binden, um Kosten zu senken. Eine Analyse von 500 Unternehmen hat Einflussfaktoren ergeben, die sich positiv auf die Mitarbeiterbindung auswirken. Dabei wurden Zusammenhänge aufgedeckt, die man mit „bloßem Auge“ nicht erkannt hätte, z.B., dass eine höhere Entlohnung die Bindung an das Unternehmen nur bei älteren Fahrern erhöht und auch nur dann, wenn diese für ein kleines Unternehmen mit einem geringen Anteil an Teilzeitkräften arbeiten. Solche Ergebnisse kann man nicht mit einem standardisierten Softwarepaket hervorbringen, hier ist individuelles Consulting nötig.

Die Personalauswahl ist eine ausgesprochen schlecht strukturierte Entscheidungssituation, die Abgrenzungs- Wirkungs- und Bewertungsdefekte vereint und damit für standardisierte Methoden eigentlich ein Albtraum ist. Andererseits sind es genau solche komplexen Probleme, bei denen Data Mining die große Chance bietet, bisher unentdeckte Informationen aufzuspüren und nutzbar zu machen. Klar ist, dass die Methoden (schon aus rechtlichen Gründen) immer nur zur Unterstützung von Entscheidungen dienen können, letztlich aber immer noch erheblicher Interpretations- und Bewertungsspielraum für die Entscheidungsträger bleibt. Ich bin gespannt, wann entsprechende Methoden das Interesse von Forschung und Praxis wecken.

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