(Neue) Arbeitswelt

Mut zu Offline-Urlaub!

Quelle: Corinna Dumat/pixelio.de
Geschrieben von Angelika

Bald steht die Urlaubssaison an.

Im Arbeits- und auch sonstigen Alltag sind Smartphone, Laptop, Tablet-PCs nicht mehr wegzudenken. Mobil sein ist alles. Schnelle Reaktion scheint lebensnotwendig. Wer Wichtiges und Unwichtiges nicht mitteilt, ist out!

Fühlen wir uns krank durch diese ständige Präsenz, brauchen wir dringend Urlaub. Wir brauchen einen klaren Kopf, eine Entrümpelung unseres Geistes, eine Konzentration auf das Wesentliche!

Doch wie ich kürzlich herausfand, sind die Backpacker von heute auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Anstatt mit anderen Reisenden oder der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen oder all das, was einen umgibt zu beobachten und Unbekanntes aufzusaugen, wird ins Smartphone geglotzt – ständig und überall. Man könnte ja etwas verpassen, was in der bunten Facebook-Welt passiert UND noch viel wichtiger: man macht die Reise ja nicht für sich, sondern muss das Erlebte auch ständig kommentiert an seine „Freunde“ weitergeben – sonst müsste man ja nicht um die halbe Welt jetten – wozu denn auch!  Den Daheimgebliebenen wird selbst an einer furchtbar trostlosen Stelle des sonst so schönen Ozeans ein Foto geschickt oder zugeskypt – mit sich im Vorder- und der trostlosen Stelle im Hintergrund.

Es gehört heute direkt Mut dazu, nicht erreichbar zu sein. Einer meiner Lieblingsschriftsteller (übrigens bietet der ganz viel Lektüre für einen geist-reichen Urlaub) – nämlich Martin Suter – schrieb in seinen Kurzgeschichten über die Business Class, die Urlaub macht, die nun folgende Kurzgeschichte. Viel Spaß beim Lesen!

Lindner offline

Diese Sommerferien will Lindner nutzen, um seinen Ehe wieder ein wenig ins Lot zu bringen. Er hat einiges gut zu machen. Dreiundzwanzig Wochenenden außer Haus. (Die Statistik stammt von seiner Frau Jeanette.) Eine statistisch nicht erfasste Zahl von Fangt-schon-mal-ohne-mich-an, ein paar Dutzend Mir-ist-da-etwas-dazwischengekommen und etwa gleich viele Ich-hoffe-du-hast-noch-nicht-gekocht. Plus die Privatbewirtung von Landmanns, bei der er vergessen hatte, Jeanette rechtzeitig auf die Glutenallergie von Frau Landmann aufmerksam zu machen. (Sie hatte sechs verschiedene hausgemachte Pasta gekocht.) Plus die Sache mit Patrizia, von der Jeannette zwar nichts weiß, aber ahnt sie etwas?

Lindner überrascht die Familie also mit Offline-Ferien. Seine Assistentin hat ihm ein Haus am Arsch der Welt organisiert. Genauer: am Arsch von Mallorca. Eine Finca mit Solarstrom, Ökopool und ohne Telefonanschluss. Zwanzig Cherokee-Minuten vom nächsten Kaff entfernt.

Jeanette ist sprachlos. Ganz im Gegenteil zu Joel (9) und Jasmin (7), als sie erfahren, dass „offline“ auch MP3-, Gameboy-, und TV-frei bedeutet. Jeanette findet ihre Sprache erst wieder, als Lindner ihr eröffnet, dass „elektronisch frei“ auch bedeute, dass er Laptop, Palm und Handy ebenfalls zu Hause lassen werde. „Auch mein Handy?“ fragt sie fassungslos.

Der Gedanke, dass Lindner während zweier Wochen keinen täglichen Kontakt zur Firma haben könnte, ist natürlich absurd. Während Jeanette vormittags in die Tienda des nächsten Orts zum Einkaufen fährt, bleibt er unter dem Vorwand, die Kinder besser kennenlernen zu wollen, zu Hause und verfasst seine Faxe. Am Nachmittag fährt er zur Tienda und kauft sich die Zeitungen vom Vortag. Bei dieser Gelegenheit gibt er seine Faxe auf und holt sich die ab, die angekommen sind. Er ist nicht der Einzige, der diesen Service von Pilar, der Tochter des Tiendabesitzers, nutzt. Manchmal muss er eine ganze Weile warten, bis andere Herren in Shorts, die ebenfalls Offline-Ferien machen, bedient sind.

Das Konzept ist ein Erfolg. Lindner pflegt seine Ehe, ohne dabei die Firma zu vernachlässigen. Aber am zweitletzten Ferientag, als er wegen eines dringenden Faxes auch Jeanettes morgendlichen Einkauf übernimmt und am Abend den Inhalt der Schachtel mit der Aufschrift „Lindner“ nach der Antwort durchsucht, stößt er auf folgendes Fax. „Ach, Kleines, wie soll ich einen Tag ohne Dein Morgenfax überleben? Konntest Du ihm nicht entwischen? Xxx Carlo.“

Zuerst denkt er, Pilar habe sich in der Schachtel geirrt. Aber dann sieht er, dass die Zeilen an Lindner adressiert sind. Jeanette Lindner.

Über den Autor

Angelika

Angelika kümmerte sich von 2010 bis 2017 um die Vermittlung von Freiberuflern. Sie hat Betriebswirtschaft studiert und ist zudem ausgebildete Heilpraktikern. Im Büro sorgte sie für unser medizinisches Wohl und außerdem, dank ihres wunderbaren Humors, oft für gute Laune.