Arbeitsrecht

Arbeitsrecht (15): Skurriles vorm Arbeitsrichter

Ruth Rudolph/ pixelio.de

Ruth Rudolph/pixelio.de

In Deutschland gibt es derzeit 113 Arbeitsgerichte (AG), 18 Landesarbeitsgerichte (LAG) und das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG) (Quelle: Wikipedia). Dazu kommen noch Urteile zum Arbeitsrecht an den Verwaltungs- und Sozialgerichten. Allein an den Arbeitsgerichten wurden im Jahr 2012 satte  403.550 Klagen eingereicht. Während diese Zahl in den letzten Jahren leicht rückläufig, steigt die Zahl der Berufungen an den LAG´s und der Revisionen am BAG stark an (Quelle: Statistik des BMAS). Das bedeutet, dass immer mehr arbeitsrechtliche Streitigkeiten durch alle Instanzen ausgefochten werden. Dabei landen immer wieder recht kuriose und skurrile Streitigkeiten vor dem Arbeitsrichter.

Ein Grund für mich, euch einmal eine kleine Auswahl dazu vorzustellen:

Kündigung von Schwangeren

Der Diebstahl beim Arbeitgeber durch eine Schwangere bei ihrem Arbeitgeber ist kein Kündigungsgrund, weil „von Schwangeren Arbeitnehmerinnen alle Belastungen ferngehalten werden sollen, die mit einer Kündigung verbunden sind“ (VG Frankfurt, 7 E 3766/04)

Auch die Kündigung einer Schwangeren, die mit einer Axt auf ihren Arbeitgeber losgegangen war, war laut Urteil des BAG wegen § 9 des Mutterschutzgesetzes unwirksam. (BAG GS 1/56)

Interessant sind auch die Urteile zum Thema Dienst- bzw. Arbeitsunfälle:

  • Eine Arbeitnehmerin ging privat mit ihrem Hund spatzieren. Während eines Anrufs ihrer Arbeitsstelle stürzte sie und verletzte sich. Das Gericht entschied: Arbeitsunfall! (LSG NRW, L 15U 270/12)
  • Ein Arbeitsunfall wurde auch bejaht, bei einem allergischen Schocks aufgrund eines auf einer Dienstreise genossenen Palatschinkens mit Nüssen, weil die Essensaufnahme nicht nur dem körperlichen Erhalt diente. (BSG, B 2U 8/06R)
  • Kein Dienstunfall liegt hingegen bei einem Polizisten vor, welcher im Winter zu einem Sauna-Einsatz gerufen wurde, weil er anschließend  unter einem Temperatur-Trauma litt. Dies entschied das VG München (M 12 K 13.1652).
  • Ein Arbeitsunfall wurde ebenfalls bei einem Versicherungsvertreter verneint, welcher nach einem Arbeitsgespräch mit einer Kundin Wein trank und sich beim Flasche öffnen verletzte. (LSG Thüringen, L1U 681/98).
  • Als ein Mann abend nach der Arbeit heimkam, war sein privater Parkplatz vor dem Haus besetzt. Der Falschparker fuhr weg, rammte dabei ein Verkehrsschild. Das kippte um und verletzte den Mann. Urteil: kein Arbeitsunfall. (LAG Köln 7 Sa 1597/04).
  • Dagegen könnte ein Dienstunfall vorliegen, wenn man einen E-Mail-Anhang öffnet. So ergangen ist es einem Polizisten, der von einem Kollegen einen Dateianhang sexuellen Inhalts bekommen hat. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf urteilte, dass Porno-Mails psychische Erkrankungen auslösen können. (VG Düsseldorf, 23K 5235/07).
  • Und wieder ein Polizist: Dieser klemmte sich in der Arbeitszeit den Mittelfinger in einer Toilettentür ein. Kein Dienstunfall, entschied das VG München. Was auf der Toilette erledigt werden soll, ist privater Natur (M 12 K 13.1024).
  • Dagegen wird von den Richtern ein Arbeitsunfall bejaht, bei einem Mann, welcher sich auf dem Weg zur Arbeit den Fuß in der eigenen Haustür einklemmt und dadurch stürzte. Begründung: Das Knie befand sich bereits außerhalb des Hauses, damit ist ein Wegeunfall zu bejahen (LSG Berlin-Brandenburg, L 2U 3/12).
  • Auch private Telefonate während der Arbeitszeit können den Unfallschutz kosten. Dies entschied zum Beispiel das hessische LSG. Ein Lagerarbeiter hatte 2-3 Minuten mit seiner Frau am Handy telefoniert. Er hat sich dabei ca. 20 Meter von seinem Arbeitsplatz entfernt. Auf dem Rückweg zu seinem Arbeitplatz verletzte er sich. Begründerung der Richter für die Klageabweisung: Gesetzlicher Unfallschutz bleibt nur bestehen, wenn private Tätigkeiten im Vorbeigehen oder nebenher erledigt würden. Dies war hier nicht der Fall, da der Arbeitnehmer sich weiter vom Arbeitsplatz entfernt hat und mehrere Minuten telefoniert hat.

Weitere schöne Urteile sind:

Mord ist kein Arbeitsunfall

Der Sohn hat den Vater auf der Rückfahrt vom Steuerberater mit Benzin übergossen und angezündet. Dies sei kein Arbeitsunfall, urteilten die Richter und verweigerten der Witwe die Hinterbliebenenrente (LSG Stuttgart, L 2 U 5633/10).

Toilettenurteil

Ein Finanzamtsmitarbeiter, welcher häufig auch von zu Hause aus arbeitete, wollte seine Privattoilette als „Zweitklo“ abschreiben. Die Klage wurde trotz vorgelegtem „Toiletten-Tagebuch“ abgewiesen (FG BW, 9 K 2096/12).

Leichenwagenurteil

Es ist einem Angestellten eines Bestattungsunternehmens nicht zuzumuten, ein Leichenwagen als Dienstfahrzeug privat zu nutzen (LAG Köln, 7 Sa 879/09).

Verdauungsurteil

Ein Anwalt hielt über 14 Tage minutiös fest, wie oft einer seiner Mitarbeiter zur Toilette ging. Er kam am Ende auf sage und schreibe 384 Klominuten. Dafür zog er dem Angestellten 682,40 € von dessen Gehalt ab. Das AG Köln urteilte: Der Toilettengang ist ein menschliches Grundbedürfnis und darf daher nicht mit einer Lohnkürzung geahndet werden (6 Ca 3846/09).

Hasenurteil

Und last but not least, mein persönlicher Favorit:

Eine Lehrerin verließ plötzlich heulend den Unterricht. Angeblich, weil eine sechzehnjährige Schülerin einen Hasen an die Tafel gezeichnet hatte. Die Lehrein hatte daraufhin auf Unterlassung geklagt. Die Schülerin solle keine Hasenzeichnungen mehr an die Tafel malen und nicht mehr behaupten, dass die Lehrerin beim Anblick von Hasen Angst bekommt. Die Klage wurde abgewiesen.

Über den Autor

Dana Lipka

Dana zählt zum Urgestein unseres Unternehmens und ist seit 2005 zuständig für alles rund um das Thema Recht bei uns. Als Wirtschaftsjuristin informiert sie auf dem Blog in der Kategorie Arbeitsrecht regelmäßig über Gesetzesgrundlagen, kuriose Rechtsfälle und wissenswerte Neuerungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Ihre Fähigkeiten als Blogautorin stellt Dana auch auf ihrem privaten (Koch)Blog immer wieder gern unter Beweis.