Körper, Geist & Job

Ist Weinen im Büro menschlich oder einfach nur peinlich?

Burnout, Quelle: Counselling/pixabay.com
Geschrieben von Anna

bob marley – no woman no cry on Vimeo.

Weinen ist eine ganz natürliche menschliche Eigenschaft. Wir weinen aus Wut, Freude, Angst, Trauer oder Schmerz. Wir weinen als Kind und als Erwachsener, im privaten und da wir es nicht immer kontrollieren können, (leider) auch manchmal in unangebrachten Situationen. Mir ist das auch schon passiert. Ich muss gestehen, nicht weil ich über ein privates Ereignis traurig war, sondern weil ich eine Sache aus dem Büro persönlich genommen habe. So sehr es die meisten und auch ich selbst zu vermeiden versuchen, es kann passieren. Wenn jemand weint, sind alle betroffen und fragen sich, was zu tun ist: ignorieren, trösten, die Lage mit einem dummen Witz überspielen?! Mir selbst sind solche Situationen immer sehr peinlich, egal ob ich selbst betroffen bin oder nur anwesend. Aber muss das so sein und warum ist das so?

Weinen durch Kritik

Kritik am Arbeitsplatz ist in den meisten Fällen Kritik an der Sache und nicht an der eigenen Person – und generell ja kein Grund zum Weinen. Leider gibt es Menschen, die das manchmal vergessen oder einfach nah am Wasser gebaut sind. Für nicht-so-nah-ans-Wasser-gebaute Kollegen ist es dann teilweise eine Herausforderung im Falle eines Tränenausbruchs zu entscheiden, ob und wie sie weiter kritisieren (konstruktiv!) und diskutieren sollen. Kann man immer auf einen Kollegen, der alles auf sich bezieht, Rücksicht nehmen? Auf der anderen Seite ist es aber auch übertrieben, Dinge nicht zu kritisieren oder besagte Kollegen mit Samthandschuhen anzufassen, nur weil man davon ausgeht, dass diese gleich losheulen.

Weinen als Zeichen von Schwäche

Wer am Arbeitsplatz weint, macht sich irgendwie nackig. Schnell hat man den Ruf der Heulsuse weg und wird nicht mehr richtig ernst genommen. Warum eigentlich? Bekommen Künstler einen Preis überreicht, ist es ok, wenn sie weinen. Dann sind alle mitergriffen und finden das menschlich. Auch Sportler können weinen, ohne, dass sie angreifbar werden – beim Sieg und bei einer Niederlage. Nicht so im Büroalltag. Dabei schreien doch immer alle nach Soft Skills. Teamfähig ja, emotional nein. Aber ist jemand, der emotional ist (das heißt ja nicht zwangsläufig immer gleich weinen), damit eher in der Lage, sich in andere hineinzuversetzen, nicht dadurch auch ein bisschen teamfähiger?

Männer werden cholerisch, Frauen weinen oft

Ist wohl eines der plakativsten Klischees, die es gibt. Sicherlich, wird es eher Frauen nachgesagt, dass sie nah ans Wasser gebaut sind. Etwa bis zum Alter von 12 Jahren weinen Jungs und Mädchen aber übrigens gleich viel und schnell. Erst im Laufe der weiteren Entwicklung und vor allem Sozialisation ändert sich das – es wird gesellschaftlich weniger akzeptiert, dass ein Mann weint, als eine Frau. Wir passen uns schon im Jugendalter daran an. Trotzdem sollte man meiner Meinung nach nicht verallgemeinern. So wie nicht jeder Mann gleich mit Ordnern um sich wirft, fängt auch nicht jede Frau immer an zu weinen und nimmt alles persönlich.

Zwar ist es mehr ok (mein Gott, was für eine Formulierung), wenn ein Mädchen bzw. eine Frau weint, als ein Junge/Mann, mit dem Eintritt in das Berufsleben sinkt jedoch die Akzeptanz von Gefühlregungen insgesamt. Auf Führungsebene sind Gefühlsausbrüche noch weniger angebracht. Aber auch hier gelten unterschiedliche Normen für die Geschlechter. So wird ein cholerischer Chef zwar nicht unbedingt gemocht, aber als solcher akzeptiert. Eine weinende Chefin hingegen wird den Posten wohl sicher nicht lange behalten, wenn sie es überhaupt bis zum Chefposten geschafft hat.

Auch wird Weinen im Büro (und nicht nur dort) gerade bei Frauen oft mit negativen Intentionen verbunden. Sie würden die Tränen zur Manipulation nutzen, um andere weichzukochen und/oder mit einem Patzer durchzukommen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, es gibt solche Frauen und außerdem, dass so etwas für mich nicht in Frage kommt.

Also nun, peinlich oder ok?!

Ist Weinen im Büro bei einer Person an der Tagesordnung, ist das sicher peinlich. Ein bisschen sollte man sich schon unter Kontrolle haben. Überkommt es jemanden spontan, ist das meiner Meinung nach nicht peinlich, sondern etwas ganz natürliches – nichts was zwangsläufig kalkuliert ist und nichts, wofür man sich schämen muss. Wir reagieren nun mal unterschiedlich auf Einflüsse wie Wut, Frust und Enttäuschung. Und auch wenn jeder verinnerlicht hat, dass Kritik im Arbeitsalltag keine Kritik an der eigenen Persönlichkeit ist, kann es dennoch in einer schwachen Minute zu einem Gefühlsausbruch kommen.  Mir persönlich ist z.B. jemand, der dann weint lieber, als jemand, der „rumbockt“ und „rumzickt“. Sollte es mich mal (wieder) überkommen, hoffe ich, dass mir jemand ein Taschentuch und 2 Minuten zum Sammeln gibt, damit wir danach weiter diskutieren und/oder zusammen arbeiten können. Heulsuse oder nicht, schwache Momente hat jeder, also sollte man diese auch anderen zugestehen.

Über den Autor

Anna

Anna, unsere „Frau fürs Schöne“, war bis November 2016 verantwortlich für alles rund ums Personalmarketing. Als studierte Kommunikationswissenschaftlerin mit Nebenfach Psychologie kam sie 2013 zu uns ins Team. Seitdem berichtete sie über den Weg vom Berufsanfänger zum "Experten" und schrieb mit Einfühlungsvermögen über die Höhen und Tiefen bei der Jobsuche und im Arbeitsalltag. Im Büro versorgte Hobbyköchin Anna uns mit den neusten Rezepten, flotten Sprüchen und viel guter Laune.