(Neue) Arbeitswelt

Fehlender Nachwuchs an deutschen Hochschulen – ein „hausgemachtes Problem“?

Sommersemester, Quelle: pexels.com
Geschrieben von Gastautor

In meinem Familien- und Freundeskreis gibt es so einige fertig Promovierte, Doktoranden die mitten in ihrer Dissertation stecken oder zumindest mit dem Gedanken spielen zu promovieren. Gründe für eine Promotion gibt es eine ganze Reihe und mein persönlicher Eindruck ist, dass es genügend Leute mit ernsthaften Promotionsabsichten gibt. Und trotzdem: Zahlreiche Studien kommen zu dem Schluss, dass an deutschen Universitäten in den kommenden Jahren Lehrkräfte und Professoren an allen Ecken und Enden fehlen werden. Wie passt das zusammen?

Gestern wurde ich eingeladen, auf eine erfolgreich abgegebene Promotion anzustoßen. Manch einer mag sich jetzt wundern, denn normalerweise feiert man erst eine überstandene Verteidigung. Doch bis zur fertigen Dissertation ist es ein steiniger Weg: Man braucht neben Durchhaltevermögen auch Selbstdisziplin, eine höchst eigenständige Arbeitsweise und nicht zuletzt eine hohe Frustrationstoleranz. Nicht jeder, der sich vornimmt zu promovieren, hält dies mehrere Jahre durch. Zusätzlich ist es nicht einfach als Doktorand seinen Lebensunterhalt zu sichern: Ein Stipendium oder eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Lehrstuhl zu bekommen, ist alles andere als selbstverständlich. Und wer das geschafft hat, muss sich auf befristete Verträge und ein regelmäßiges „Gehangel“ von Arbeitsvertrag zu Arbeitsvertrag einstellen. Insofern kann ich es durchaus nachvollziehen, dass man nach jahrelangem Kampf allein die Abgabe der fertigen Dissertation als Grund zum Feiern ansieht.

Diejenigen, denen es also trotz aller widrigen Umstände gelingt zu promovieren, qualifizieren sich ohne Zweifel als potentielle Führungskräfte – sowohl in der freien Wirtschaft, aber vor allem auch für eine weitere wissenschaftliche Karriere an einer Universität oder Fachhochschule. Und hier ist der Knackpunkt: Mit dem frisch erworbenen Doktortitel in der Tasche, wollen allerdings die wenigsten an der Universität bleiben. Die vielen hochmotivierten Jungakademiker, die sich voller Eifer an das „Projekt Promotion“ gemacht haben, scheinen innerhalb weniger Jahre desillusioniert festzustellen, dass ihnen Hochschule und Wissenschaft scheinbar nicht die berufliche Perspektive bieten können, die sie sich vorstellen. Der deutsche Hochschulbetrieb hat offensichtlich ein Problem damit, die in den eigenen Reihen frisch Promovierten halten zu können. Und die Gründe? Ganz gewiss wusste der eine oder andere schon mit Beginn der Promotion, dass er wieder zurück in die freie Wirtschaft will. Aber es gibt eben auch die andere Gruppe, die sich zu Beginn beide beruflichen Wege vorstellen konnte und sich letztendlich ganz bewusst gegen den Hochschulbetrieb entscheidet.

Schon seit längerem bin ich immer wieder auf Ursachenforschung, gerade auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Die Gründe und Erklärungen sind denkbar vielfältig und natürlich gibt es keine Generalantwort. Doch in Gesprächen wird für mich eins immer deutlicher: Die Promotionsanwärter und Promovierten „von heute“ haben wenigstens schon einmal im Rahmen von Praktika Einblicke in die Wirtschaft erhalten (häufig haben sie bereits umfassendere Berufserfahrung) und können gut zwischen der Arbeitswelt Hochschule/ öffentlicher Dienst einerseits und der freien Wirtschaft andererseits vergleichen. Und da schneidet erstere nicht immer gut ab. Unter meinen Freunden, die selbst im öffentlichen Dienst tätig waren oder sind, werden die Vorurteile, mit denen der öffentliche Dienst (und damit auch der Hochschulbetrieb) zu kämpfen hat, mehrheitlich bestätigt. Alles ist irgendwie lahmer und träge; wo in der freien Wirtschaft bei mangelnder Arbeitsleistung irgendwann Konsequenzen gedroht hätten, wird im öffentlichen Dienst gekonnt drüber hinweg gesehen. Und diejenigen, die konsequent überzeugende Leistungen bringen, alle fachlichen sowie persönlichen Qualifikationen für eine erfolgreiche Hochschullaufbahn vorweisen, werden mit dauerhaft befristeten Verträgen sowie mangelnder Unterstützung und Wertschätzung „belohnt“. Erklärungen à la „Ich weiß was ich fachlich kann und das kann ich auch woanders einbringen, wenn ich hier nicht entsprechend unterstützt werde“ sind dann keinesfalls verwunderlich, sondern absolut verständlich.

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