(Neue) Arbeitswelt

Bildung – eine vernachlässigte Ressource in Deutschland

Tafel_Bildung
Geschrieben von Claudia Fuhrmann

Bildung und der Fachkräftemangel

Nicht nur in den Medien auch in Gesprächen mit Unternehmern, Vertretern öffentlicher Institutionen, Hochschulen, Schulen sprechen alle von dem bereits existierenden massiven Fachkräftemangel in Deutschland. Dabei bezieht man sich immer auf gewisse Branchen und Berufe. Gemeint ist hier das Fachwissen wie z.B. für IT-Fachkräfte wie Entwickler und Programmierer. Doch Personalberater und Personalentwickler sehen diesen Mangel nicht nur an branchenspezifischen Fachkräften sondern für sie beginnt der Mangel bereits viel früher – nämlich in der Beherrschung der deutschen Sprache, ihrer Rechtschreibung und ihrer Grammatik, also in der Grundlagen-Ausbildung. Dabei sind hier nicht ausländische Mitbürger oder Personen gemeint.

Ein erster Blick in die Bewerbungsunterlagen reicht häufig völlig aus, um sofort die Qualität des Dokumentes zu erkennen. Man ist oft gewillt, dem Bewerber mangelnde Sorgfalt bei der Erstellung vorzuwerfen. Doch setzt das Problem meines Erachtens viel früher an: in den Schulen.

Bildung, mehr Bildung, noch mehr Bildung = ein Wahlversprecher?

Alle Jahre wieder vor einer Landtags- oder Bundestagswahl (so wie im September diesen Jahres) thematisieren die Politiker aller Parteien die Bildung der Kinder und Jugendlichen in Deutschland. In den Programmen und auf den Plakaten finden sich wohlklingende Worte dazu. Das Ziel heißt … „Nr. 1 in Europa“ (SPD) oder „weltbeste Bildung für jeden“ (FDP), das Mittel soll eine „Digitale Bildungsoffensive“ (CDU/CSU) oder eine „Nationale Bildungsallianz“ (SPD) sein. So sollen die Schulen „fit für die Zukunft“ (Grüne) werden, denn „Bildung ist Menschenrecht“ (Linke) sowie „die Supermacht des 21. Jahrhunderts“ (FDP).“ (Der Spiegel 39/2017, S. 13)

Die Bundestagswahl ist Vergangenheit und was passiert mit dem Thema Bildung? Antwort der Politik: Das ist Ländersache! Man zieht sich zurück und verweist auf den Föderalismus. Ohne Föderalismus könnten Bund und Länder das Thema Bildung gemeinsam angehen. Bereits 2008 hat Angela Merkel als Bundeskanzlerin die „Bildungsrepublik“ ausgerufen. Bis heute sind die Ziele wie z.B. die Halbierung der Schulabbrecherquote nicht erreicht. Es mangelt an modernen Ausbildungsstätten. Schulen sind in Deutschland immer noch eher Bildungsanstalten als ein Ort, an dem Kreativität und Konzentration eine Rolle spielen. Die Lehrerausbildung konzentriert sich noch immer in erster Linie auf die Wissensvermittlung statt auf den Umgang mit Kindern verschiedener sozialer Herkunft. Auch in Bezug auf die Digitalisierung liegt Deutschland unter dem Durchschnitt in der Welt. In den meisten Bildungseinrichtungen (schulisch, beruflich) sieht man sie als zusätzliche Herausforderung. Das didaktische Potenzial wird bisher nur in wenigen Fällen erkannt und genutzt.

Diese Versäumnisse in der Bildung lassen sich später nicht mehr aufheben. Das zeigt sich für uns im Personalbereich u.a. in der mangelhaften Ausgestaltung von Texten und in fehlerhaften Bewerbungsunterlagen. Oft entsteht der Eindruck, dass die Kandidaten den Inhalt der Stellenanzeigen nicht so verstehen, dass sie in der Lage sind, ein individuelles, sprich auf die Ausschreibung passendes Anschreiben zu verfassen. Spätestens hier kommen die Versäumnisse in der Vermittlung grundlegender Fähigkeiten (Lesen, Schreiben) zu Tage. Doch kann sich ein Land wie Deutschland das leisten? Ich denke nicht! Warum gehen Deutschland und seine Politiker dann so schändlich mit dieser Ressource um? Warum wird nur geredet und geredet und die Chancen für die Zukunft verspielt?

Abitur ≠ hohe Bildungsqualität

Den überwiegenden Anteil an Bewerbungen auf unsere Stellenanzeigen erhalten wir von Studenten – also Personen mit Abitur und einer wissenschaftlichen Ausbildung. Zumindest bei dieser Zielgruppe sollte man davon ausgehen können, dass sie in der Lage sind, fehlerfrei und ansprechend zu formulieren. Doch leider ist dem nicht immer so. Die Defizite in den Bereichen Rechtschreibung und Interpunktion irritieren. Man hat den Eindruck, dass Kommasetzung out ist. Für Hochschulen und später für die Unternehmen sorgt das für großes Erstaunen bis zum Erschrecken. Nicht einmal mehr Gymnasiasten beherrschen die deutsche Sprache in ihrer schriftlichen Ausführung. Doch die Schuld ist nicht nur bei den Schülern zu suchen. Sie sind nicht dümmer als die Generationen vor ihnen.

Vielmehr bremst ein Dreigestirn von leeren Politikversprechen, mangelhafter Lehrerausbildung und anmaßendem Verhalten von Eltern, die nur noch Genies in die Welt setzen, eine vernünftige und nachhaltige Grundlagenausbildung unserer Schüler und Jugendlichen aus.

 

Trägt die Digitalisierung die Schuld am Bildungsstand?

Zu oft liegen auch die Schwerpunkte der Ausbildung immer noch woanders. Hier spielt erneut das Thema Digitalisierung eine Rolle. Diese wird in der Ausbildung noch nicht genügend berücksichtigt. So können die Jugendlichen hundert WhatsApp Nachrichten senden, einen Text erfassen und verarbeiten können sie aufgrund ihrer Unruhe und den damit einhergehenden Konzentrationsproblemen nicht.

Martin Wagner, Professor für Politikwissenschaften an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl und Haar hat es so formuliert: „Die neuen Medien vertiefen … das, was man postmoderne Legasthenie nennen kann. Wenn SMS oder WhatsApp-Nachrichten zum Schwerpunkt der täglichen Lektüre gehören, geschrieben in gebrochenem Deutsch, dann muss diese Unwucht Konsequenzen für den Spracherwerb haben.“ (Cicero – 07.2017, S. 109) Auch er verweist darauf, dass Deutschland ein rohstoffarmes Land ist und es sich nicht leisten kann, die Ressource Bildung so zu vernachlässigen. Es kann nicht sein, dass Bildung zur politischen Spielwiese wird.

Zurück zu den Grundlagen Lesen, Schreiben, Rechnen

Man muss sich wieder mehr auf die Vermittlung der Grundlagen der Bildung konzentrieren. Schüler, Azubis, Studenten müssen permanent auch nach Textverständnis, Rechtschreibung und Grammatik bewertet werden. Bildungswege müssen nach Eignung der Person beschritten werden und nicht nach den Vorstellungen der Eltern. Lehrer müssen die Ausbildung ihrer Schüler und Studenten lenken, ihnen die verschiedenen Wege in die berufliche Zukunft erklären. Nicht jeder muss Abitur machen und studieren.

Fazit für Bewerber

Liebe Bewerber! Auch wenn – wie gerade beschrieben – die Grundlagenausbildung an deutschen Schulen und Hochschulen im Bereich der deutschen Sprache nicht optimal ist, kann man sich jedoch in seinem beruflichen Werdegang leider nicht darauf berufen. Von daher ein Tipp: Bitte nehmt Euch mehr Zeit für die Erstellung eurer Bewerbungsunterlagen. Dies betrifft zum einen das Anschreiben. In diesem Dokument wird nicht der Lebenslauf erneut dokumentiert. Auch wenn ihr den Lebenslauf zum Inhalt des Anschreibens macht. Es ist und bleibt ein Fehler. Für dieses Dokument liegt der Fokus darauf, warum gerade ihr der geeignete Kandidat für diesen Job seid. Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten gerade euch am besten dafür qualifizieren.

Zum anderen der Lebenslauf: Es ist überall zu diesem Dokument zu lesen, dass dieser lückenlos sein soll. Und es stimmt! Phasen der beruflichen Findung, Auslandsaufenthalte, Reisen, Arbeitssuche, Pflege Familienangehöriger etc. müssen aufgeführt werden. Sonst schafft man es in den wenigsten Fällen in die nächste Runde und wird evtl. unberechtigt im Vorfeld aussortiert.

Über den Autor

Claudia Fuhrmann

Claudia betreute zwischen 2015 und 2018 die Bereiche Personalentwicklung und Weiterbildung. Im Aufbau von Qualitätsmanagement-Systemen fokussierte sie sich auf die DIN EN ISO 9001 sowie auf die Organisation und Abwicklung von IT-Projekten. Basierend auf ihrer vielfältigen Berufserfahrung berichtete sie zu Themen des Personalmanagements und den Aufgaben zu diesem Bereich u.a. für Unternehmen.