Bewerbung & Interview

Bewerbung per Messenger – Zukunftsmusik oder realistische Alternative?

Bewerbung-per-Messenger
Geschrieben von Angelika

Nachdem wir im Blog schon einige neue Bewerbungsmethoden untersucht haben (vor kurzem erst E-Recruiting über Snapchat) widme ich mich heute einem anderen Kommunikationsmedium: Neulich erhielt ich zum ersten Mal eine Bewerbung per Messenger – in diesem Falle über Whatsapp – und war überrascht. Innerhalb von kurzer Zeit konnten Fragen schnell geklärt werden, was dazu führte, dass die Kandidatin den Entschluss fasste, ihre Bewerbung doch nicht weiterzuverfolgen. Ihre ursprüngliche Absicht erschien mir im Nachhinein nicht sonderlich gefestigt, aber positiv war natürlich, dass wir die Sache schnell geklärt hatten und kein zeitraubender Anruf- und anschließender Absageprozess folgte.

Googelt man Bewerbung per WhatsApp kommen einige interessante Sachen zum Vorschein:

Wurden in einem Artikel von 2015 auf der Seite Absatzwirtschaft.de Bewerbungsverfahren über WhatsApp noch als Tabu bezeichnet, gibt es nun erste Unternehmen, die genau diesen Weg verfolgen.

Beim Stromanbieter Yello beispielsweise hält man potentielle Bewerber dazu an, an einem aufgelockerten und simplen Prozess Teil zu haben, anstatt „nervige“ Bewerbungen schreiben zu lassen. Schließlich ginge es doch „nur“ um einen Job.

Die Vorteile der Bewerbung per Messenger

  • Fast jeder nutzt bzw. kennt den Messenger.
  • Das Smartphone hat man immer und überall dabei.
  • Die Bedienung ist intuitiv.
  • Der Austausch findet in einer lockeren und entspannten Chat-Atmosphäre statt.
  • Text, Sprachnachrichten und sogar Videos sind einfach zu verschicken.

Bewerbung so einfach wie möglich gestalten

Karola Wegner, die Yello Talentsucherin meint, es ginge darum, den Bewerbungsprozess so einfach wie möglich zu gestalten. Einen Punkt teile ich:

Wenn sich zum Beispiel jemand nicht sicher ist, ob er auf die Stelle passt und deshalb den Aufwand einer klassischen Bewerbung scheut, kann er sich in einem kurzen Whatsapp Chat näher informieren. Das finde ich gut.

Genauso könnte es interessant sein, erst einmal nachzufragen, ob die Stelle tatsächlich noch vakant ist, ob schon andere sehr gute Bewerbungen vorliegen und ob es dementsprechend noch sinnvoll ist, sich zu bewerben.

Keinerlei Formalien bei der Bewerbung per Messenger

Die Idee „Keinerlei Formalien“ – sollen es dem Bewerber ermöglichen auch Nachrichten, Videos oder Sprachnachrichten zu senden. Statt Lebenslauf und Zeugnissen also erst einmal ein „Hallo, ich bin der Stefan und bewerbe mich auf die Stelle des Stromzählers…“ oder wie? Dass ein Gespräch so locker und natürlich ablaufen soll, wie möglich, finde ich gut – aber das machen wir als Personalberater auch so und es sollte auch für unsere Kundenunternehmen Ziel sein, im Gespräch einen sympathischen Eindruck zu vermitteln und im Bewerber den potentiellen Mitarbeiter und auch den Menschen zu sehen.

 

Wie geht es weiter, wenn Interesse am Job besteht?

Wenn sich nun herausstellt, dass ein Job zu den Vorstellungen des Bewerbers passt, soll er lediglich den Lebenslauf per Mail an Yello senden, um anschließend ein erstes Telefonat oder persönlichen Gespräch zu führen. Durch die Kontaktaufnahme per Messenger werde das übliche Anschreiben nicht mehr benötigt.

Wahrnehmung der Bewerbung per Messenger

Laut Yello sei das Feedback von Bewerbern, die sich per WhatsApp beworben haben, durchweg positiv. Die lockere und schnelle Art, sich über Stellen zu informieren, komme bei den Bewerbern sehr gut an. Es werde jedoch noch nicht durchweg als Alternative wahrgenommen. Laut einer Umfrage des E-Recruiting Software Herstellers softgarden von 2015 hielten 69 % der befragten Bewerber ein Kontakt- bzw. Bewerbungsangebot über WhatsApp für nicht sinnvoll. Innerhalb von zwei Jahren kann sich diese Zahl jedoch zu Gunsten des Einsatzes von Messengern im Bewerbungsprozess verschoben haben – trotz des nicht sicheren Datentransfers von WhatsApp.

Was sich Bewerber wirklich wünschen

  • Vor allem wünschen sie sich eine zügige Rückmeldung zu den gesandten Unterlagen bzw. zu ihren Fragen.
  • Sie möchten sich wahr- und ernst genommen fühlen.
  • Eine Absage ist immer hart, auch wenn die Gründe nichts mit dem Bewerber selbst zu tun haben. Anstatt eines schroffen Beziehungsabbruchs ist es empfehlenswert, weiter mit den Kandidaten in Kontakt zu bleiben, ihnen beispielsweise andere Stellen anzubieten oder sie zu einer Veranstaltung wie etwa zu einer Unternehmenspräsentation auf einer Messe einzuladen. Das kostet das Unternehmen nichts bzw. nicht viel, fördert aber das Image und wird weitergesagt.
  • Auch wünschen sich die Bewerber von heute Transparenz, was den Prozess angeht. Eine Aussage wie: „Nach Sichtung Ihrer Unterlagen melden wir uns wieder bei Ihnen.“ Sollte ersetzt werden durch z.B. „Nach jetzigem Kenntnisstand melden wir uns in 10-12 Tagen wieder bei Ihnen.“
  • Einen persönlichen Draht zum zukünftigen Arbeitgeber ermöglicht man am besten per Telefon.

Diese Wünsche erfüllt eine Bewerbung über Messenger natürlich nicht und ob man WhatsApp und Facebook bei einer so vertraulichen Aktivität wie dem Sich-Bewerben vertrauen möchte, sei aus meiner Sicht in Frage zu stellen.

Der einzige wirkliche Vorteil liegt bei Bewerbungen mit Messenger-Systemen in der direkten und zügigen Frage-Antwort-Situation. Zumindest die Geschwindigkeit kann man jedoch auch mit dem herkömmlichen Prozedere gewährleisten, vorausgesetzt, man hat als Unternehmen erkannt, dass der Trend zum Arbeitgeber als Kandidaten-Dienstleister geht. Personaler sollten also vom hohen Ross absteigen und die Chauffeurs-Handschuhe anziehen!

Über den Autor

Angelika

Angelika kümmerte sich von 2010 bis 2017 um die Vermittlung von Freiberuflern. Sie hat Betriebswirtschaft studiert und ist zudem ausgebildete Heilpraktikern. Im Büro sorgte sie für unser medizinisches Wohl und außerdem, dank ihres wunderbaren Humors, oft für gute Laune.