Alle reden davon, wie toll flexible Arbeitszeiten sind. Ich sage: Sie sind Freiheiten mit Nebenwirkungen. In meinem Job habe ich diese Freiheiten, also keine festen Start- und Endzeiten. Was zunächst toll klingt, aber man merkt schnell, dass man selbst für seinen eigenen Zeitplan verantwortlich ist und gerade im Homeoffice ist es wichtig, sich klare Strukturen zu schaffen. Um produktiv arbeiten zu können, muss ich meinen Arbeitsbeginn selbst bestimmen und gut organisieren. Und weil ich ein disziplinierter, strukturierter Mensch bin, plane ich jeden Abend hochmotiviert: Morgen bin ich um 8 Uhr auf der Arbeit. Dann bin ich früher mit meiner Arbeit fertig und kann den Rest des Tages genießen. Easy. 10 Uhr: ich schlurfe mit halb geöffneten Augen ins Büro, Kaffeetasse in der Hand, während mein Laptop genau wie ich gerade noch hochfährt.
Was ist passiert? Keine Ahnung. Kosmische Kräfte. Die Schwerkraft meines Bettes. Oder der Moment zwischen „Ich stehe jetzt wirklich auf“ und „Wo ist plötzlich die ganze Zeit hin?“.
Der Kampf mit dem frühen Start
Flexible Arbeitszeiten bieten Freiheit, aber bringen auch Herausforderungen mit sich, vor allem für Menschen wie mich, die eher Spätstarter sind. Eigentlich mag ich die Idee vom frühen Start. Der Tag ist noch frisch, es ist ruhig im Büro und man fühlt sich richtig produktiv. Wenn ich früh anfange und meine Aufgaben erledige, habe ich danach mehr Freizeit am Nachmittag. Das klingt nach den optimalen Tag für mich. Nur: Ich mach es nicht. Stattdessen zieht sich mein Morgen. Der erste Wecker klingelt um 6:30. Wird ignoriert. Der zweite Wecker klingelt um 6:45. Snooze. Meist wird auch der 3. und 4. Wecker ignoriert. Klassisches Prokrastinieren, nur eben schon direkt nach dem Aufwachen. Dann schaffe ich es endlich um 7:30 aufzustehen. Mein erster Blick ist dem Handy gewidmet. „Kurz noch ein TikTok schauen“ denk ich mir. Schlechte Angewohnheit von mir, ich weiß. Eine halbe Stunde vergeht und schon fällt mir ein, dass ich doch um 8 auf der Arbeit sein wollte. Naja, dann halt 9 Uhr. Ich geh entspannt Zähne putzen, duschen und ärgere mich dann, dass ich nicht schon am Abend vorher meine Klamotten rausgelegt habe, denn nun ist langes Überlegen zu einem passenden Outfit fällig. Und schon ist es 9 Uhr. Ok, dann halt um 10, dann hab ich wenigstens noch eine halbe Stunde Zeit entspannt mein Buch zu lesen.
Warum frühes Aufstehen nicht für alle funktioniert
Ich habe eine Weile gebraucht, um zu kapieren: Das liegt nicht (nur) an Faulheit. Klar, ein bisschen Bequemlichkeit ist schon mit dabei. Aber eigentlich geht’s tiefer. Als Studentin hatte ich in den letzten Semestern nie Vorlesungen vor 10 Uhr. Mein Körper scheint sich daran angepasst zu haben und wie wir alle wissen, lassen sich solche Gewohnheiten nur schwer ändern. Dazu kommt: Ich brauche morgens Zeit. Viel Zeit. Mein Gehirn fährt nicht so einfach hoch wie ein Laptop, eher wie ein Drucker, wenn man doch ganz dringend etwas drucken muss.
Es gibt eine biologische Erklärung dafür. Unser Schlaf-Wach-Rhythmus ist zum Teil genetisch bedingt. Manche Menschen sind von Natur aus sogenannte Eulen: Ihr Körper ist später am Tag wacher, kreativer, produktiver. Andere sind Lerchen, die stehen freiwillig um 6 Uhr auf und haben bis 9 Uhr schon Großes geleistet. Und dauerhaft lässt sich dieser innere Rhythmus nur schwer ändern, ohne dass der Körper dagegen protestiert. Als Spätstarter im Job habe ich oft Schwierigkeiten, morgens früh produktiv zu sein, weil mein Körper einfach später in Schwung kommt.
Trotzdem nagt es. Dieses schlechte Gewissen. Die Gesellschaft liebt Frühstarter. Wer früh kommt, gilt als diszipliniert, organisiert, leistungsbereit. Wer später beginnt, muss sich erst mal rechtfertigen. Selbst wenn am Ende alle das Gleiche schaffen – das Bild vom „fleißigen Frühaufsteher“ sitzt tief. Und das macht es nicht gerade leichter, mit der eigenen inneren Uhr Frieden zu schließen.
Arbeite nach deinem eigenen Rhythmus
Wenn du den Vorteil hast, dass du selbst entscheiden kannst, wann du auf der Arbeit aufkreuzt: Nutze die Flexibilität, vor allem, wenn du dich später besser konzentrieren kannst. Schreib dir auf, wann du dich am besten konzentrieren kannst und plane deine Aufgaben dementsprechend. Wenn du dennoch gerne früher anfangen würdest, dann setze dir realistische Ziele. Wenn du es nie schaffst vor 9 Uhr loszugehen, ist 8 Uhr einfach zu früh. Setz dir 9:30 als Ziel und vielleicht schaffst du es Schritt für Schritt irgendwann zu 8:00.
Wenn du aber auch eigentlich kein Problem hast, später zu kommen, nur es dich persönlich stört, was andere von dir denken, wenn du später als alle anderen kommst, dann lass dir gesagt sein: Nicht wann du kommst zählt, sondern wie du arbeitest. Bist du zuverlässig, hältst dich an die Deadlines und funktionierst im Team, dann ist dein Arbeitsbeginn nebensächlich.
Tipps für Spätstarter, die früher anfangen wollen
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Realistische Ziele setzen
Setze dir erreichbare Ziele für deinen Arbeitsbeginn. Statt sofort um 8 Uhr anzufangen, beginne lieber mit 9:30 Uhr und reduziere die Zeit Schritt für Schritt. So vermeidest du Frustration und bleibst motiviert. Ein hilfreiches Werkzeug kann hier Time-Tracking sein: Wenn du genau siehst, wie viel Zeit du morgens vertrödelst oder wie lange du für Aufgaben brauchst, fällt es leichter, deine Startzeit zu optimieren.
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Morgenroutine einführen
Eine feste Morgenroutine hilft deinem Körper und Geist, langsam wach zu werden und sich auf den Arbeitstag einzustellen. Wasser trinken, duschen gehen, Kaffee kochen, Pausenbrote vorbereiten.
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Motivationstrigger nutzen
Die beste Möglichkeit um aus den Bett zu kommen, ist sich auf etwas zu freuen. Zum Beispiel freue ich mich zurzeit auf meinen täglichen Matcha Latte. Dafür lohnt es sich für mich schon mal aus meinen gemütlichen Bett aufzustehen.
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Wecker außer Reichweite
Wenn du dazu neigst, deinen Wecker aus zu stellen und dann weiter zu schlafen, dann stell es am anderen Ende deines Zimmers. So bist du gezwungen aufzustehen und kannst dann auch gleich mit deiner Morgenroutine anfangen.
Nicht die Uhrzeit zählt, sondern das Ergebnis
Auch wenn ich eher spät anfange, mache ich das Beste aus meinen flexiblen Arbeitszeiten und arbeite so produktiv wie möglich. Wenn du auch ein Spätstarter im Job bist, denk daran: Es zählt nicht die Uhrzeit, sondern wie gut du deine Aufgaben erledigst. Ich werde wohl nie die Erste im Büro sein. Aber ich arbeite daran, das Beste aus meiner eigenen Routine herauszuholen. Und vielleicht schaff ich es nächste Woche ja mal um 9:30. Wer weiß. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

 
									 
							 
							 
							 
							 
							