In Bewerbungsratgebern und aus Gesprächen mit anderen Personalern habe ich immer wieder gelesen und gehört, dass der erste Satz im Anschreiben der wichtigste ist. Man muss den Personaler damit vom Hocker reißen, es schaffen, dass er sich auch noch den Rest der Bewerbung anschaut und ihn komplett von sich und den eigenen Fähigkeiten überzeugen. Alles in einem Satz…am besten auch noch kurz und knapp! Ein Personaler hat mir mal gesagt: „Dann musst du halt einen kurzen Rock anziehen und dich an den Straßenrand stellen!“ Sicherlich sind solche Einstellungen nicht selten und viele Personaler überfliegen die Bewerbungsunterlagen und lesen nach dem ersten Satz nicht weiter, wenn sozusagen der Rock nicht kurz genug war 🙂
Bewerbung aus dem Untergrund
Ich kann von Glück reden, dass ich das Recruiting von einer anderen Seite kennengelernt habe und ich mich immer noch über jede Bewerbung freue und sie mir auch komplett durchlese. So habe ich vor Kurzem eine Bewerbung für eine von uns ausgeschriebene Stelle bekommen und der erste Satz hat mich total umgehauen! Der Bewerber war 60+ und hat höchstwahrscheinlich aufgrund der sehr schlechten Erfahrungen hinsichtlich seines hohen Alters, schon im Voraus die geringen Chancen für die beschriebene Stelle dezent mit seinem „Gruftgeruch“ begründet. Das ist doch mal ein Einstieg und solch ein Bewerber bleibt einem für immer im Gedächtnis.
Mit Alter punkten
Aber ist das auch der richtige Weg? Sollte man in seiner Bewerbung den Ansprechpartner mit der Nase auf die eigenen „Mankos“ stoßen? Ist denn das Alter überhaupt ein Manko oder wie geht der deutsche Arbeitsmarkt damit um? Durch die Rente ab 67 und den angeblich immer wachsenden Fachkräftemangel darf das Alter doch keine Hürde im Bewerbungsprozess sein. Und nicht zu vergessen das AGG! Nicht alle halten sich jedoch daran. So hat mir der Bewerber am Telefon sein Leid geklagt und erzählt, dass ihm bereits öfters direkt und ohne Hemmungen mitgeteilt wurde, er würde mit seinen 62 Jahren für die eine oder andere Stelle auf keinen Fall in Frage kommen, er wäre ein Risiko für das Unternehmen oder er sollte den gut gemeinten Rat annehmen und sich zur Ruhe setzen und einfach seine Rente genießen. Dass er noch den Elan und die Lust hat, sich weiter zu bewerben trotz solcher Sprüche und nicht aufgibt, fand ich sehr bewundernswert. Ich weiß selber nicht, wie ich mich in seiner Situation verhalten würde. Deshalb hat er sich nach all diesen Absagen gedacht, er geht voll in die Offensive und begegnet dem Personaler mit seinem „Urnengestank“.
„Ich will doch noch nicht sterben, ich will arbeiten – wenn ich nicht arbeiten kann, dann weiß ich nicht, wofür ich noch da bin.“
Ich kann diese Verzweiflung nachvollziehen, doch ich würde von solchen Formulierungen eher abraten. Das „Alter“ mag negativ verankert sein, doch man sollte damit punkten, denn Alter heißt Erfahrung. Sicher ist es schwer, sich zwischen all den tollen jungen Unternehmen, mit unglaublich vielen Möglichkeiten und super coolen und hippen Führungs- und Arbeitsstilen zu beweisen. Ich bin aber überzeugt, dass ganz bald der Arbeitsmarkt bereit ist für den Bewerber 50+. Abraten würde ich auch davon, das Alter schönzureden. Am besten ist es, das Alter überhaupt nicht als Argument zu benutzen. Bei einem Kandidaten mit so viel Lebenserfahrung, gibt es freilich andere viel interessantere und vor allem überzeugendere Argumente. Also, das Motto heißt – sich nicht entmutigen lassen und mit Fähigkeiten punkten!