Bewerbung & Interview

Ist ein Bewerbungsfoto wichtig? Antworten gibt’s hier

Geschrieben von Anna

Vor- und Nachteile der anonymen Bewerbung

Seit 2006 und der Verabschiedung des AGG (Allgemeines Gleichstellungssetz) zur Vermeidung der Diskriminierung von Bewerbern, darf das Bewerbungsfoto weggelassen werden. Da ein sorgfältiges Ausüben der beruflichen Tätigkeit nicht mit dem Äußeren einer Person in Zusammenhang steht, ist das eigentlich keine bahnbrechende Änderung – und der Beschluss bzgl. des Bewerbungsfotos ja jetzt schon auch ein paar Jahre alt. Als ich vor kurzem meine erste Bewerbung ohne Foto auf dem Tisch liegen hatte, war ich dennoch etwas überrascht…

Aus Sicht der Bewerber ist es irgendwie trotzdem noch Gang und Gäbe, dass auf dem Dackblatt einer Bewerbung ein Bewerbungsbild neben dem Lebenslauf klebt, AGG hin oder her. Ohne das sie dazu verpflichtet sind, ist ein Bewerbungsfoto ist für die meisten Bewerber ebenso selbstverständlich wie eine akurate Tätigkeitsbeschreibung, die Unterschrift in der Bewerbung, das Nachreichen von bisher noch Unterlagen, die Nennung des aktuellen Arbeitgebers oder auch die Angabe von Hobbys im Lebenslauf. Ich weiß um die Bestimmungen um das Bewerbungsfoto. Jedoch bin ich Bewerbungsfotos so „gewöhnt“, ich muss gestehen, meine erste Reaktion war: „Oha, hat der vielleicht was zu verbergen?“. Die Inhalte besagter Bewerbung lasen sich gut. Abschluss, Qualifikationen, Eignung, Gehaltvorstellungen – der erfolgreiche Lebenslauf und das Bewerbungsschreiben passte für ein Vorstellungsgespräch zusammen. Da war es auch nicht schlimm, wenn von einem Arbeitgeber ausnahmsweise einmal kein Arbeitszeugnis vorlag. Ich hatte scheinbar den perfekten Kandidaten vor mir auf dem Tisch liegen. Ein Anruf bestätigte den ersten Eindruck. Der Bewerber klang am Telefon sogar sehr sympathisch. Das Fehlen des Bewerbungsfotos auf dem Deckblatt wurde direkt zur Nebensache und stand einem Vorstellungsgespräch nichts im Wege.

Warum sollte man das Bewerbungsfoto weglassen?

Warum sollten Bewerbungen anonymisiert werden? Als Arbeitgeber will man den Bewerber doch kennenlernen und dazu gehört ja auch seine Erscheinung – ohne Bewerbungsbild auf dem Deckblatt. Auch als Bewerber – und noch mehr in einer möglichst erfolgreichen Initiativbewerbung – möchte man zeigen, wer sich hinter den Fakten im Lebenslauf verbirgt. Laut Forschungsergebnissen beschäftigen sich Personaler im Schnitt nicht länger als zwei Minuten mit dem Anschreiben einer Bewerbung – angehende Führungskräfte einmal abgesehen. Ob das ausreicht sei mal dahin gestellt. Aus der Psychologie wissen wir, dass der erste Eindruck sehr schnell entsteht, auf leicht wahrnehmbaren Attributen beruht, nicht immer zu richtigen Schlüssen führt, JEDOCH nicht so leicht revidiert wird. Bringt man dies in einen Zusammenhang, so können die vielen Daten in einer Bewerbung schnell von der eigentlichen Qualifikation ablenken – je nach dem, was der Betrachter zur Eindrucksbildung heranzieht und wie viel Zeit er sich hierfür nimmt. Das Bewerbungsfoto verführt dabei besonders stark dazu, jemanden zu „verurteilen“, sind hier die Informationen ja am offensichtlichsten.

Viele haben sicher schon Situationen erlebt, in welchen sie überrascht waren, dass ein Kollege ganz anders im Büroalltag aufgetreten ist, als er zunächst beim ersten Kennenlernen oder eben in der Bewerbung schien. Gebleichtes Haar, eine Tätowierung, ein auffälliges Piercing sind nur ein paar Beispiele, die – auch nur auf einem Bewerbungsfoto – Assoziationen wecken können. So manch einer konnte dann vielleicht doch mehr, als man ihm zunächst zugetraut hätte. Lenkt eine Fehlinterpretation der offensichtlichen Merkmale von den eigentlichen Fähigkeiten ab bzw. überlagert diese, sodass ein fähiger Bewerber gar nicht erst zum Gespräch eingeladen wird, ist das ärgerlich. Der Verzicht auf das Foto vermindert dieses Risiko an der einen oder anderen Stelle zumindest. So unvoreingenommen man als Personaler auch sein sollte, Menschen sind das trotzdem alles auch. 😉

Ist das Bewerbungsfoto wichtig aus Unternehmenssicht?

Nicht nur für Bewerber kann der Verzicht auf das Bewerbungsfoto im Anschreiben eine Chance darstellen. Auch die Unternehmen verbauen sich ja nichts, wenn sie auf Grund einer fotolosen Bewerbung dem einen oder anderen Bewerber mehr eine Möglichkeit geben, sich vorzustellen und dabei selbst vielleicht positiv überrascht zu werden. Darüber hinaus kann auch ein offenes, vielleicht sogar modernes, Image entstehen, wenn Unternehmen anonyme Bewerbungen ohne Bewerbungsfoto zulassen. Eine gewisse Offenheit für Vielfalt und eine potentielle Eignung für die Stelle wird hierdurch signalisiert und letztlich auch eine neue Bewerbergruppe angesprochen – die, die dachten, sie hätten auf Grund ihrer äußeren Erscheinung eh keine Chance.

Warum konnte die anonyme Bewerbung sich dennoch nicht durchsetzen?

Die Vorteile, kein Bewerbungsfoto anzuhängen, sind offensichtlich und die Rechtslage ja sowieso klar. Dennoch trauen viele Bewerber dem Braten nicht und schicken lieber ein Bewerbungsfoto in ihrem Anschreiben mit. Ein Bewerbungsbild hinterlässt eben doch einen persönlichen Eindruck und dieser kann auch zum Vorteil sein. In den USA sind Bewerbungsfotos verpönt. Man muss gar nicht so weit weg gehen, auch in Großbritannien, Spanien und Frankreich ist es nicht üblich, sich per Bewerbungsbild in einer Bewerbungsmappe zu „präsentieren“. Wahrscheinlich spielen hier Kultur und vor allem Gewohnheit eine Rolle. Jahrelang las man den ausdrücklichen Hinweis in Stellenausschreibungen, auch ein Foto zur Bewerbung hinzuzufügen bzw. war man es gewohnt ein solches als Personaler auch zu erhalten. Die anonyme Bewerbung ohne Bewerbungsbild ist in Deutschland immer noch eine Ausnahme und die Gesetzeslage hat sich scheinbar doch noch nicht überall rumgesprochen.

Bewerbungsfoto wichtig – ein Fazit

Abschließend noch kurz zu meinem einleitenden Beispiel. Mein Kunde wollte den besagten Kandidaten auch ohne Bewerbungsfoto gern kennenlernen und lud ihn zu einem Bewerbungsgespräch ein. Was soll ich sagen, auch in Natura bestätigte sich das positive Bild, welches ohne Bild entstand. 😉 Für mich ein Grund mehr, die nächste Bewerbung ohne Bewerbungsfoto auch wirklich ohne „Vorbehalte“ durchzulesen. Mit einer Empfehlung, generell auf das Bewerbungsbild zu verzichten, tue ich mich an dieser Stelle dennoch schwer. Die Erwartungen gegenüber Bewerbungsfotos in Anschreiben sind noch zu sehr verbreitet. Es bleibt abzuwarten, ob sich die anonyme Bewerbung ohne Foto doch auch hier zulande irgendwann durchsetzt.

Über den Autor

Anna

Anna, unsere „Frau fürs Schöne“, war bis November 2016 verantwortlich für alles rund ums Personalmarketing. Als studierte Kommunikationswissenschaftlerin mit Nebenfach Psychologie kam sie 2013 zu uns ins Team. Seitdem berichtete sie über den Weg vom Berufsanfänger zum "Experten" und schrieb mit Einfühlungsvermögen über die Höhen und Tiefen bei der Jobsuche und im Arbeitsalltag. Im Büro versorgte Hobbyköchin Anna uns mit den neusten Rezepten, flotten Sprüchen und viel guter Laune.